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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Oktoberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Ludwigsburger Porzellanfiguren
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0076

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wir wollen in manchen Beziehungen ihm keine zu großen
Vorwürfe machen, da es ja bekannt ist, wie schwer in
Stuttgart für manche Fragen das Studienmaterial zu be-
schaffen ist. Es ist daher auch kein Wunder, daß er
die Vorbilder für manche Figuren und Gruppen, die
gewiß auf Kupferstiche zurückgehen, nicht nachzuweisen
vermag; auch der Augsburger Stich aus dem Verlag von
J. M. Will iür die bekannte kleine Gruppe „Die hohe
Frisur“ ist ihm unbekannt.

Wenn wir nicht nur ein schönes, sondern auch ein
gutes Buch und zwar nicht nur über die Figuren, sondern
auch über die gesamten Leistungen der Ludwigsburger
Fabrik bekommen wollen, so müssen wir zunächst die
ganze Angelegenheit auf eine breitere Basis stellen,
als dies bisher geschehen ist. Zahlreiche und nicht un-
bedeutende Objekte sind überall in den öffentlichen und
und privaten Sammlungen zerstreut, selbst solche, die
die schöne Ausstellung vom Jahre 1905 nicht herbeizu-
schaffen vermochte. Man muß nicht nur z. B. in den
Sammlungen von Karl Bär in Mannheim, Otto Blohm
Hamburg, Dr. von Ostermann in Darmstadt oder bei
den Familien Geheimrat von Schöller in Berlin, des ver-
storbenen Oberstleutnants Winter in Stuttgart oder
0. Winterhelt in Mildenberg, sondern ebenso in der
Schtschukin-Sammlung in Moskau, dem Keramischen
Museum von Sevres und an zahlreichen anderen Orten
Umschau halten, um das noch nicht benutzte Material
endlich zum Vergleich heranzuziehen. Ob die Akten des
Staatsarchivs mehr enthalten, als Pfeiffer aus ihnen be-
reits zu Tage gefördert hat, wird die Zukunft lehren.
Aber man muß sich schon die Mühe nehmen, das Mate-
rial gründlich durchzusuchen und endlich einmal die
vielen Fragezeichen zu eliminieren.

So liegt z. B. in der Stuttgarter Kupferstich-Sammlung
ein überaus interessantes Skizzenbuch von N.
Guibal, das Christ ganz entgangen ist, das aber gerade
für die Behandlung der Ludwigsburger Figurenplastik von
der allergrößten Bedeutung wäre. Es ist das Verdienst
von Frau Dr. K a u f f m a n n - G r a d m a n n , dieses
interessante Büchlein entdeckt zu haben, daß den Titel
führt: „Explication des Grouppes et Figures Executees A
la Solitude“. Es stammt aus dem Jahre 1765 und bringt

auf den Seiten A—0, ferner in der zweiten Partie unter
Nr. 1 — 14 die ganzen Gruppen, die seinerzeit nach den
Skizzen des genannten herzoglichen Hofmalers leider nur
in einem vergänglichen Material, nämlich in Gips, für die
Solitude gemacht worden sind und längst nicht mehr
bestehen. Selbstverständlich will ich hier der geplanten
Publikation der Kollegin nicht vorgreifen, sondern be-
gnüge mich lediglich mit dem Hinweis, daß durch diesen
Fund die Bedeutung der Persönlichkeit des Ferretti ganz
wesentlich eingeschränkt wird. Wie unbeholfen dieser
aus der Comogegend über Wien nach Württemberg be-
rufene Bildhauer, von dem die Attika-Statuen des Stutt-
garter Residenzschlosses stammen, gewesen ist, zeigt auch
die ebenfalls in der Stuttgarter Kupferstichsammlung noch
verwahrte und von Frau Dr. Kauffmann-Gradmann heraus-
gefundene Rolle vom 10. Juli 1747, also aus dem Be-
rufungsjahr Ferrettis, die der Schloßarchitekt Leopoldo
Retti an offenbar maßgebender Stelle vorgelegt hat und
die auch für die Baugeschichte Stuttgarts noch nicht
benützte und doch interessante Bemerkungen enthält.
Derartiges an Ort und Stelle vorhandenes Material muß
möglichst restlos zusammengetragen werden, wenn man
einen Gegenstand wirklich endgültig und erschöpfend
erledigen will. Der neue tatkräftige Direktor der Alter-
tümersammlung Dr. Buchheit, der inzwischen seinen
Dienst angetreten hat, wird gewiß in der Zukunft dafür
Sorge tragen, daß die offiziellen Publikationen dieses
Museums den erwünschten Abschluß finden.

Was die illustrative Seite anbelangt, können wir
dankbar anerkennen, daß die meisten Bilder in guten
Kupfertiefdruck gegenüber den vorangegangenen Publi-
kationen von Wanner und Balet -— schon wegen des
Maßstabes — einen achtbaren Fortschritt bedeuten, wenn
auch Überraschungen d. h. Erstreproduktionen nur in
etwa 10 Fällen nachgewiesen werden können. Aber die
photographischen Aufnahmen, die Herr Dr. Otto Lossen
von den Hauff-Werken in Feuerbach persönlich und
vollständig uneigennützig zur Verfügung stellte, sind aus-
gezeichnet und werden gewiß mit dem schönsten Dank
quittiert werden.

Hoffen wir, daß eine zweite Auflage die hier ange-
deuteten Fehler und Lücken zu beseitigen wissen werde.

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