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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Oktoberheft
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Baum, Julius: Die Zürchner Ausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0101

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die streifigen Wolken scheinen eine Zutat der Altdorfer-
zeit zu sein — verrät in ihren derb und unräumlich
hingesetzten Figuren deutlich die Hand eines alemannischen
Künstlers um 1440, der an Gestaltungskraft Witz nicht
erreicht, Herlin jedoch weit übertrifft. Von diesemu)
sind zwei Fliigel des Nördünger Hochaltares von 1477/78
(Nr. 76, 77), sowie zwei Fliigel aus dem Museum in
S. Gallen (Nr. 78, 79, 15) ausgestellt. Die Tafeln in
S. Gallen, nicht tadellos erhalten, diirften ein wenig älter
sein als der Nördlinger Hochaltar.

Neben diesen wenigen, von niederländischen Vor-
bildern stark abhängigen Malern bewahrt die größere
Zahl der alemannischen Meister ihre Kunst frei von
fremder Einwirkung. Im Gefolge des jungen Multscher
erscheint ein Maler, der nach zwei Tafeln von sehr
satter Färbung, im Besitze des Herzogs von Urach, Tod
und Krönung Mariä darstellend, als Meister vom Lichten-
stein bezeichnet wird. Ihm werden neuerdings ein ÖI-
berg und eine Grablegung in der Donaueschinger Galerie
zugeschrieben (Nr. 115, 116, 16).

Die frühe Memminger Malerei wird durch jenen
Altarflügel von Hans und Ivo Strigel aus dem Jahre
1478 vertreten (Nr. 198), der sich früher, zusammen mit
den Berliner Multscherbildern, in der Wurzacher Galerie
befand und jetzt in Stuttgart aufbewahrt wird17). Es
wäre wertvoll gewesen, daneben einen der Altäre aus
der Frühzeit des Hans Strigel, sei es den Zeller Altar
von 1442 oder den Berghofer von 1438 in Zürich kennen
zu lernen. Von den nämlichen Händen wie der Stutt-
garter Flügel ist auch der mit der falschen Inschrift von
Schüchlin und Zeitblom versehene Mickhauser Altar der
Budapester Galerie18) gemalt.

Völlig anderer Art als die zuletzt betrachteten
Schöpfungen ist eine breite Tafel aus dem Museum in
Solothurn, die dem Albrecht Mentz aus Rottweil, 1479
Bürger in Solothurn, zugeschrieben wird (Nr. 161). Ein
Werk von altertümlichem Charakter; es stellt in lockerem
Nebeneinander die selten gemalte Szene der Kreuz-
anheftung und die Kreuzigung dar. Die beiden Gruppen
sind zweifellos aus dem Musterbuche eines älteren
Künstlers kopiert, deren sich eine Anzahl erhaltenhat 19);
die Kreuzanheftung wiederholt im Gegensinne frei die
Komposition einer Holzgruppe des Maulbronner Hoch-
altares, der etwa hundert Jahre vorher entstanden ist20).

An Zahl und Bedeutung geringer als die Gemälde

14) Vgl. Baum, Friedrich Herlin, Monatshefte für Kunst-
wissenschaft, VII, 1914, S. 323 ff.

15) Vgl. B o 1 z e, Altarbilder von Friedrich Herlin in S. Gallen,
Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, N. F. X, 1908,
S. 131 ff.

1C) Abbildung in Feurstein. Die Kunstpflege in der Baar,
Badische Heimat, VIII, 1921, S. 43.

17) Vgl. W e i z i n g e r. Die Malerfamilie der Strigel, Fest-
schrift des Münchener Altertumsvereins, 1914, S. 103. B a u m,
Neue Forschungen über altschwäbische Malerei, II, Schwäb. Merkur
vom 26. Januar 1918.

18) Abbildungen in Baum. Ulmer Kunst, 1911, S. 36—39.

1<J) Vgl. Burger, a. a. 0., S. 85ff,

Abb. 6. Feldbacher Altar, Grablegung, Auferstehung

20) Abbildung in Baum. Gotische Bildwerke Schwabens,
1921, Tafel 64.

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