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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Januarheft
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Batavus, ...: Isaac Isaacsz und sein Urteil des Kambyses
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0240

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konnte, auf denen die Figuren untätig zusammen schweigen.
Aber durch ihn wurde der Stoff bekannt und offenbar
auch populär. Besonders die Künstler der Spätrenaissance
reizte er zur Darstellung; denn er gab Gelegenheit zu
lebhaftem Gebärdenspiel, zu bewegten Szenen. Zwei
Goltziusschüler haben den Stoff behandelt R. de B a u -
dous auf einem Stiche, auf dem außer der Schindung
des Sisamnes noch die Geschichte des Seleukos in Bild
gebracht ist, und W. Swanenburg in einem Blatt
aus der Folge „Thronus Justitae“ nach einem Gemälde
des Utrechter J. Uytewael von 1606; dieser gibt die
Hinrichtung nur episodisch im Hintergrund; die Haupt-
sache ist der letzte Akt der Tragödie, der sich imVorder-
grunde abspielt, das furchtbare Nachspiel, das vielleicht
noch grauenvoller als die
eigentliche Exekution: die
Einsetzung des Sohnes in das
Richteramt, ein typisches
Werk des Goltziusstiles mit
iibertrieben gestikulierenden,
affektiert ihre Finger spreizen-
den Figuren. Hier sieht man
den Sohn wirklich den
väterlichen Thronsessel ein-
nehmen, über den die ab-
gezogene Haut des Vaters mit
deutlich erkennbarem Gesicht
und Händen, wie ein kost-
barer Pelz ausgebreitet liegt.

Auch Rubens hat diesen
schrecklichen Stoff behan-
delt in einem 1622 für das
Briisseler Rathaus gemalten
Werke, das bei dem Bombar-
dement der Stadt durch die
Franzosen im Jahre 1695
verbrannte und nurdurch den
allerdings sehr mäßigen Stich
von R. Einhoudts be-
wahrt ist. Rubens hat eben-
falls nur das Nachspiel dar-
gestellt, aber ohne die Hin-
richtungsszene im Hinter-
grund. Das Barbarische des
Gegenstandes hat er dabei einigermaßen zu mildern
gesucht, obwohl er ja sonst vor Greueltaten nicht
so leicht zurtickschreckte: Nicht auf der Haut des
Vaters muß der Unglückliche Platz nehmen, dieselbe
ist nur als furchtbare Trophäe wie das Fell eines
Raubtieres zur Drohung über seinem Thronsessel auf-
gehängt. Kambyses mit Gefolge und einem kläffen-
den Hunde installiert ihn als Nachfolger seines Vaters,
und Sisamnes verneigt sich devot dankend für die große
Huld des Tyrannen. Diesen Einhoudt’schen Stich muß
Isaac Isaacsz wohl gekannt haben, wenn er nicht das
Original in Brüssel selber gesehen hat, was sehr gut
möglich ist, da er ja in dem Jahre 1622, in dem das
Rubens’sche Werk entstand, in Antwerpen in die Gilde
aufgenommen wurde. Jedenfalls entnimmt er dem

Isaac Jsaacsz: Urteil des Kambyses

Rathaus zu Harderwvk

Rubens’schen Werk das Wesentliche seiner Komposition;
ja sogar einige Details, wie den Hund und den Knaben,
der den nachschleppenden Gewandzipfel des Kambyses
trägt; die Bewegung mit dem Szepter hat er gleichfalls
in freier Weise verwendet. Nur ist bei ihm, dem Holländer,
die Bewegung und Bewegtheit der Gruppe zu statuarischer
Ruhe erstarrt; aus den mitlebenden, mitagierenden Per-
sonen des Rubens sind ziemlich unbeteiligte Statisten
geworden. Noch eine kompositionelle Änderung hat sich
Isaacsz erlaubt: bei ihm steht der Richter vor dem
Thronsessel, von dem auf dem Bilde die eine Armlehne
noch eben sichtbar ist. Aber weder Gesicht noch Hal-
tung drücken etwas von dem aus, was in ihm vorgehen
müßte; keine Schauer schütteln ihn, obwohl doch der

Skalp des Vaters drohend
über ihm hängt; er blickt
ebenso gleichgültig drein,
wie die unten sitzende junge
Frau, mit der er übrigens
die auffallendste Familien-
ähnlichkeit hat. Expressiv ist
damit verglichen die Figur des
Kambyses, der mit Turban
und langem Mantel ganz als
orientalischer Despot gegeben
ist, auch in koloristischer Hin-
sicht durch das kräftige Gelb
seiner Gewandung die ein-
druckvollste Figur, die Haupt-
person. Nächst dem Gelb
bildet die stärkste Note das
Rot in dem Kostüm der
jungen Frau vorn links. In
dieser kräftigen Farbengegen-
überstellung verrät sich auch
deutlich die vlämische Her-
kunft der Kunst des Amster-
damers, der in diesem
Werke sein Bestes gibt: ein
brav komponiertes Historien-
bild. Das Gemälde ist voll
bezeichnet und 1634 datiert,
also vier Jahre später als
das eingangs erwähnte Werk
im Ryksmuseum, dessen Abimelech der Kambyses des
Harderwyker Bildes in Typus, Kostüm und Pose außer-
ordentlich nahe steht; aber in qualitativer Hinsicht ist
der Abstand zwischen dem kleinen, glatt und ängstlich
bepinselten Amsterdamer Werk und dem flüssig und lose
gemalten Harderwyker sehr groß. Ganz rechts in dem
bärtigen Mann, einem van Dyck’schen Typus, hat sich
der Maler selbst dargestellt; er blickt als einziger aus
dem Bilde heraus; um aber keinen Zweifel an der ab-
konterfeiten Persönlichkeit aufkommen zu lassen, trägt er
auf dem Kopf das kleine Wappen der St.-Lukasgilde, mit
der Straußenfeder darauf. Bredius bringt in seinen Künstler-
inventaren, VII, eine Abbildung unseres Gemäldes, v o r der
Restauration ; ein Vergleich mit unserer Reproduktion zeigt,
wie sehr dasselbe durch diese Operation gewonnen hat.

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