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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Februarheft
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Schmidt, Werner: Johann Eleazar Zeißig gen. Schneau 1737-1806
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0327

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der Darstellung und nach der Restauration durch die
Signatur aber als ein Hauptwerk des Dresdner Akademie-
direktors Johann Eleazar Zeißig gen. Schenau er-
kannt wurde.

Dieser Zeißig-Schenau ist der Kunstgeschichte
kein ganz Fremder, wenn sich auch in den an verschie-
denen Orten aufgezeichneten künstlerischen und biogra-
phischen Notizen mancherlei Irrtümer befinden. Geboren
aiu 7. November 1737 als Sohn des Damastwebers
Elias Zeißig zu Großschönau in der Lausitz zeigte er
früh ein gewisses Zeichentalent und wurde von seinem
Vater mit 12 oder 13 Jahren nach Dresden geschickt, um
dort ausgebildet zu werden. Der Vater hoffte wohl, in
seinem Sohne einen brauchbaren Musterzeichner fiir seine
Webereien zu bekommen. Nach mancherlei Fehlschlägen,
einen Lehrer zu finden, wurde er zunächst von dem
Porträtisten und Freund Ismael Mengs. J. Ch. Beßler,
unterrichtet, kam später auch an die unter Francois-
Charles Silvestre stehende, aber im Eingehen begriffene
Akademie, ohne daß der Unterricht beider von Einfluß
auf seine künstlerische Entwicklung war. 1756 reiste er
bei Ausbruch des 7 jährigen Krieges mit Silvestre nach
Paris. Hier war er im Hause Silvestre eine Art von
Kammerdiener, erhielt keinerlei künstlerischen Unterricht,
zeichnete und kopierte auf eigene Faust und machte gute
Fortschritte. Da erstand ihm in dem Kupferstecher Wille
ein einflußreicher Freund und Gönner, der ihn nicht
allein beim Verkauf seiner Bilder unterstützte, sondern
ihm auch den Zugang zu den Ateliers der führenden
französischen Künstler verschaffte. Schenau — so
nannte er sich nun in Anlehnung an seinen Geburtsort —
lernte dadurch mancherlei, ja, dies war eigentlich sein
einziger Unterricht. Einen Lehrer hat er in Paris nie
gehabt. Seine Bilder — es war das beliebte Genre —■
entsprachen dem Zeitgeschmack und wurden von franzö-
sischen Stechern vielfach gestochen. — Als 1764 Ludwig
von Hagedorn die Dresdner Kunstakademie wieder ins
Leben rief und darauf bedacht war, besonders Landes-
kinder anzustellen, wurde er von Wille auf den jungen
Schenau aufmerksam gemacht und berief ihn 1758 nach
Dresden. Schenau folgte dem Ruf, trat 1770 in die
Akademie ein, wurde 1783 Direktor der Mal- und
Zeichenschule an der Meißner Porzellanmanufaktur,
1774 Professor an der Akademie und 1776 mit Casanova
alternierender Akademiedirektor. Nach dessen Tode 1796
blieb er alleiniger Direktor und starb am 23. August 1806.

In seinen Bildern tritt uns Schenau als ein wohl in
Paris künstlerisch erzogener, aber dennoch deutscher
Künstler mit unverkennbarer deutscher Prägung entgegen.
Er ist in erster Linie Genremaler und leistete hierin sein
Bestes. Chardin und Greuze waren seine Vorbilder,
aber weder folgte er dem oft sinnlich-lasziven Einschlag
des Greuze, noch konnte er den selbstverständlichen,
heimeligen Zug der Bilder Chardins ganz erreichen. Mit
der Darstellung einfacher Erauen aus dem Volke, die er

in ihren häuslichen Beschäftigungen zeigt, beginnend,
geht er bald zu mehrfigurigen Bildern über und
verlegt die Szenen in die vornehme Gesellschaft. Hier-
bei zeichnet er sich besonders durch eine glänzende, an
Terborch gemahnende Wiedergabe der Stoffe aus, wie
er überhaupt fast immer ein hervorragender Kolorist ist.
Kinder mit ihren Spielen und ihrer Harmlosigkeit, in
drollig-würdevollem Großtuen oder voll Schabernack
bilden einen besonderen Reiz seiner Gemälde. Unter
den 12 Blatt eigener Radierungen sind 6 Blatt mit Kinder-
szenen1). Von seinem Dresdner Aufenthalt ab aber
hören derartige Darstellungen fast ganz auf, es folgt nur
noch ein kurzer Aufstieg bis etwa 1775. In diese Jahre
fallen eine Reihe ganz hervorragender Familienbilder,
deren eine das obengenannte Repräsentationsbild und
deren bestes „Thomas Freiherr von Fritsch und Um-
gebung“ (Besitzer Freiherr von Fritsch, Schloß Seerhausen
bei Oschatz) ist. Dann beginnt ein allmähliches Nach-
lassen der Qualität, besonders als er sich von etwa 1780
ab historischen, religiösen und mythologischen Stoffen
zuwendet. Imrnerhin ist auch hier noch in dem Altar-
bild der Kirche seines Geburtsortes Großschönau „Christi
Auferstehung und Himmelfahrt“ ein Bild von nicht un-
bedeutender Wirkung zu verzeichnen. Als er aber völlig
in die Bahnen des Klassizismus einlenkt, wird er un-
erfreulich. Vielleicht wäre gegen Ende seiner künst-
lerischen Tätigkeit noch ein Aufschwung zu verzeichnen,
wenigstens läßt ein 1802 entstandenes Gemälde „Der ab-
geschlossene Ehekontrakt“ (Bes. 0. Weishaupt, Berlin)
in seiner Umwandlung eines Greuze’schen Motives ver-
muten, daß er auch als Klassizist Bilder schaffen konnte,
die seinen früheren Leistungen wenn auch nicht eben-
bürtig, so doch zum mindesten nicht unwert sind.

Erschwert wird der Überblick über Schenaus Ent-
wicklung dadurch, daß deutsche Museen nur selten ein
Bild von ihm besitzen. Vieles ist in Privathänden, mehr
wohl, als bisher zu finden war. Von ca. 140 Bildern
des Kataloges ließ sich nur bei etwa 30 der Besitzer
feststellen. Immer wieder taucht bei Versteigerungen ein
wenigstens dem Original nach unbekanntes Bild auf.
Zweiffellos verblieb der Hauptteil seiner Genrebilder in
Frankreich, geht dort vielleicht sogar unter falschem Namen.
Möglicherweise besaßen die Gebrüder Goncourt etwas
vcn ihm, doch konnte über die 1897 erfolgte Versteige-
rung dieser Sammlung nichts in Erfahrung gebracht
werden. Ein großer Teil seines Nachlasses wanderte
wohl sicher nach Rußland. Beiden Spuren nachzugehen
ist zur Zeit kaum möglich. — Vielleicht aber dienen
diese Zeilen dazu, neue Nachrichten iiber Schenaubilder
zu gewinnen.2)

]) Über andere, ihm fälschlich zugeschriebene Radierungen
siehe „Kunstchronik“ 1921, Nr. 30. „Daniel Heimlich“ vom gl.
Verfasser.

2) Eine umfassende Arbeit iiber Schenau ist in Vorbereitung,
sachdienliche Mitteilungen werden erbeten an den Verfasser,
Heidelberg, Ziegelhäusei Landstraße 29.

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