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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Februarheft
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Aus der Museums- und Sammlerwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0330

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zurechtkommt, als auch den jungen Künstlern, die da sehen
können, was mit den einfachsten Mitteln, mit Wasserfarben und
sorgfältiger Pinselschrift, an unvergänglichen Werten geschaffen
wurde. Wo nicht Beschädigungen vorliegen, tritt uns jedes Bild
in einer Frische entgegen, die nichts von dahingegangenen
tausend Jahren weiß. Die Aufzählung der vertretenen Meister
ist nicht Aufgabe dieses Hinweises, wie ja auch der chinesischen
Malerei ein kurzer Artikel in keiner Weise gerecht zu werden
vermöchte. Nur soviel, daß diese Ausstellung wichtig für unser
ganzes Gebiet ist. Und noch ein Gutes hat sie. Sie förderte
einige köstliche Stücke altchinesischer Plastik zu Tage, die sich
in Mannheimer Privatbesitz und in der städt. Altertumssammlung
befinden, weiteren Kreisen so gut wie unbekannt. A. M.

jYtüncbßH.

Die Staatl. Graphische Sammlung zeigt — vorerst
leider nur als Leihgaben — im ersten Ausstellungssaal etwa
170 Zeichnungen Adolf von Hildebrands. Diese Studien
und Entwürfe des Bildhauers und Baukünstlers sowie Bildnisse
aus seinem Familien- und Freundeskreis gestatten einen höchst
bemerkenswerten Einblick in aile Perioden seines Schaffens. —
Im 2. Saal findet rnan eine Auswahl aus rlem Besitze der Samm-
lung an deutschen Zeichnungendes 16. Jahrh., u. a.
Cranach, Altdorfer, Huber, die beiden Holbein und Burgkmair,
den älteren Breu, schweizerische und oberrheinische Meister,
Blätter der Nürnberger Schule nach Dürer. Jost Ammans Einzug
des Kaisers Maximilian II. in Nürnberg am 7. Juni 1570 ist in
seiner unterhaltsamen Länge bequem sichtbar gemacht; eine
weitere große Deckfarbenmalerei des gleichen Künstlers stellt
ein Turnier dar, das die Nürnberger Patrizier am 3. März 1561
abgehalten hatten. B. H. R.

AKet’let Ctmofa.

In einer Geschichte des Sammelwesens dürfte auch die Er-
wähnung der vielen Kuriositäten nicht fehlen, die, weniger ihres
künstlerischen Wertes, mehr der beschwerlichen Herstellung wegen,
sorgfältig aufbewahrt wurden. Die alten Sammlungen, die Kunst-
und Wunderkammern beherbergten neben den kostbarsten Kunst-
werken, allerlei Kuriositäten, ein meikwürdiges Nebeneinander
wahrer und falscher Kunst, charakteristisch für die damaligen
Zeiten. Sehr beliebt waren die verschiedenen mikroskopischen
Künsteleien, unter denen mitunter auch echte Kunstwerke waren.

Schon im Altertum hatten sich Künstler mit der Herstellung
kleinster Kunstwerke beschäftigt. Callicrates und Myrmicides
waren darin vor allen beriihmt. Jener machte aus Elfenbein
Ameisen und andere kleine Tiere so subtil, daß man ihre Füße
und andere Teile kaum wahrzunehmen vermochte, dieser aber,
aus derselben Materie einen Wagen und ein Schiff, jedes mit
dem Flügel einer kleinen Mücke zu bedecken, aus Eisen einen
Wagen, den eine Mücke fortgezogen.

Um 1550 wurde in der Nähe von Klagenfurt ein Künstler,
Leo Pronner, geboren, der sich um 1660 in Nürnberg aufhielt.
Er schnitzte aus Bein, Holz, Silber, Gold und anderen Metallen
die zartesten und kleinsten Sachen, Altäre, Kruzifixe, Totenköpfe
Denkringe, die künstlich auseinander gelöst und durchbrochen
waren, verschiedene Tiere, wie Hirsche, Pferde mit Reitern, die
man durch ein Nadelöhr schieben konnte. Auch schrieb er so
klein in Fraktur, das Vaterunser auf einen Raum, den eine kleine
Erbse bedeckte, die sechs Hauptsfücke der christlichen Lehre auf
einen Platz, den ein gemeiner Pfennig einnahm, zwölf Vaterunser
mit dem Glauben, in der Mitte mit Maria und Johannes, auf eben
so kleinem Raum. Unter anderen Schnitzereien eine Haselnuß
mit einem Deckel von Elfenbein, darin alies was zum Hausgerät
gehörte, in proportionierter Größe. Kirschkerne mit dem Vater-
unser oder mit acht Köpfen und Einfassungen, mit den zwölf
Aposteln, einen hohlen Kern, enthaltend die Leidenswerkzeuge
Besonders mühsam dürfte die Herstellung eines Federmessers,
eines Geschenkes für den Erzherzog Ferdinand von Österreich
gewesen sein. Das Heft des Messers war hohl und enthielt drei-

zehn kleine Kästen von Elfenbein, die man herausnehmen konnte.
In der oberen Hälfte des Heftes war des Erzherzogs Titel und
Name, sowie der ganze Kalender des Jahres 1606 auf Pergament
geschritben, auf dem anderen Deckel ein Spruch aus dem 117
Psalm in 21 Sprachen, das Vaterunser und der Glauben, umgeben
von Zierraten. ln den Kästchen 1000—1500 Stück Kleinigkeiten,
Haus- und Kellergeräte, Handwerkszeuge und dergl. eine eiserne
Kasse, die sich ohne Unterweisung nicht öffnen ließ und 100 Gold-
stücke mit F. geprägt enthielt, ein Kirschkern mit dem Nürnberger
Wappen, darin zwei Dutzend zinnerr.er Teller, ein Dutzend Messer
und ein Dutzend Löffel von Buchsbaumholz. Als ein besonderes
Zeugnis der außerordentlichen Geschicklichkeit dieses Mannes
wird angeführt: „ein Haar von einem kleinen Knaben, das er zum
Ötfnen durchlöchert und mit denen zu beiden Enden in vier Teilen
gespaltenen Haarteilen hindurchgefahren, ja, ein dergleichen Haar
in acht Teile geteilet“1 *). Haarspalterei im wahrsten Sinne des
Wortes.

Ein ähnlicher Künstler war der Nürnberger Hieronymus
Gartner. Er schnitt unter anderem aus einem Stückchen Holz,
das einen Finger lang war, eine Weichsel oder Kirsche mit dem
Stiel und zugleich auf jene eine Mücke, so natüilich, als ob sie
lebte, läuschend dadurch, daß sich beim Ieichtesten Luftzug
Flügel und Füße bewegten.

Hieronymus Oerthel in Nürnberg, auch ein „künstlicher
Schreiber“ schrieb das Vaterunser so, daß es mit einem Pfennig
zu bedecken war.

In dem berühmten Prannischen Museum in Nürnberg-) be-
fand sich unter den kleinen Miniaturgemälden als das künstlichste,
die, von Anna Smythers von Gent, gemalte Darstellung Christi
vor Pilatus „das Auge kann sich“ sagt die Beschreibung, „mit
dem Mikroskop bewaffnet, nicht sattsehen; das Pergament-
stücklein, worauf achtzig Figuren gemalet sind, ist nicht größer
als ein Kreuzerstück“.

Anna Felicitas Neuberger, als Wachsbossiererin, so, wie ihr
in dieser Kunst hervorragender Vater, Daniel Neuberger, bekannt,
arbeitete viel in kleinster Kunst. Sie schnitt ganze Bataillen in
Kirschkerne, ja Historien in noch kleinere Hanfkörnlein, sie ver-
fertigte so kleine Kruzifixe, daß man diese mit Leichtigkeit durch
ein Nadelöhr ziehen konnte3).

Kleine Pinseleien finden sich vielfach in alten Schraubtalern. Es
waren Einlagen aus Frauenglas mit darauf gemalten Gewändern
ohne Gesicht und Hände. Der Mensch, dem die Gewänder passen
müßten, war auf einem, in dem Taler befestigten Pergamentblatt
gemalt, auf welches das Frauenglas gelegt wird, so, daß dann
Gesicht und Hände durchschimmerten.4) Naturprodukte wurden
zu den mühsamsten Mosaikarbeiten genommen.

Merkwürdig mag ein, von M. Knapp, in den „deutschen
Schatten- und Scherenbildern“ beschriebenes Bild sein; es ist
eine große, aus Schmetterlingsfliigeln zusammengesetzte Darstellung
der Versuchung Josephs durch Potiphars Weib Der Glanzpunkt
des Bildes war das aus den Flügeln von Zitronenfaltern zu-
sammengesetzte Gewand der Frau Potiphar.

Es könnte eine Arbeit des Peter Blank sein, dessen Naturalien-
kabinett in Würzburg C.J.Weber während seiner „Reisen in
Deutschland“ besuchte und sich folgendermaßen darüber äußerte:
Es waren dort die Natur-Mosaiken von Prof. Blank, einem ehe-
maligen Minoriten, der gegen 500 Stück mit der Geduld eines
Mönchs aus reinen Naturstoffen, wie Holz, Moos, Vogelfedern,
Samenkörnern, SchmetterlingsflügeIstaub und anderem, zusammen-
gesetzt hat. Vorzügliche Wirkung tun die Vogelfedern und der
Flachs bei Abbildung der Wellen im Rheinfall, wie im Meeres-
sturm, für den ein Engländer 4C00 fl. bot. Für sein gelungenstes
Werk erklärt der Meister selbst den feuerspeienden Vesuv und
das Feuer besteht aus den untern Flügeln der Grille!“

') Doppelmayr, historische Nachr. von Nürnberger Künstlern.

-) Murr, Beschreibung der vorn. Merkwürdigkeiten von
Nürnberg, 1771.

3) Sandrart Akademie II- 77.

4) Stetten, Kunst, Gewerbe und Handwerksgeschichte der
Reichsstadt Augsburg.

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