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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Märzheft
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Bülow, Joachim von: Pariser Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0356

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letzten drei Jahren. Ich glaube, er ist in Deutschland
wenig bekannt. Eine Zeitlang war er Modemaler ge-
wesen, davon sieht man in dieser Ausstellung weniger,
er ist da zu seinem Ausgangsland, der Bretagne zurück-
gekehrt, doch verwertet er nach wie vor allzusehr die
Momentphotographie. Im ganzen ist er lichter geworden,
das speckige seiner früheren Arbeiten fehlt, ein paar
Gouachen überraschen durch besondere Feinheit.

In den Nebenräumen sah man besseres, da waren
ein paar Vuillards und Bonnards, die man ja immer zu-
sammen nennen muß, dann Guillaumain ganz wie einst.

Ein ziemlicher mäßiger Matisse, der noch immer, wie
es scheint, nicht wieder zur Kunst zurückkehrt, die ihm
ursprünglich eignet, weil er wohl noch immer Käufer für
seinen Bluff (vor allem in Deutschland) findet, ein Derain,
der dem Kubismus abgeschworen zu haben scheint und
in Rousseauscher Naivität malt, was viel angenehmer und
ehrlicher wirkt. Eine Mappe van Dongenscher Graphik
zeigte den Holländer in der bekannten Linie seiner Ent-
wicklung. Er, der einst der Schrecken der Alten war,
ist ja inzwischen zum Porträtisten der eleganten Pariserin
hinauf — oder hinab? — gestiegen.

Bernheim jeune war ja nie mit dem Herzen bei diesen
Fauves, wie sie seiner Zeit in Paris genannt wurden.
Sehr eindrucksvoll ist mir das Urteil seines einstigen
Geschäftsführers gewesen, den ich aufs Gewissen über
Henri Matisse ausfragte und der das vorsichtige Urteil
abgab: Er ist ein sehr guter Kaufmann! Von diesem
Standpunkt ist ja auch allein die ganze, von uns nach-
her mit Expressionismus bezeichnete längst schon wieder
— in Frankreich — überwundene Malweise (Kunst-
richtung darf man nicht sagen) zu betrachten. Das war
für uns, die wir sie in nächster Nähe mit ansahen, nie
zweifelhaft. Sie wirkte nur auf die Ferneren, Russen
und deutsche Snobs als echt. Es ist viel Kraft und

guter Wille an diesen untauglichen Versuch verschwendet
worden. Wenn wir erst wieder mit Frankreich in voller
Fühlung sein werden, wird man es bei uns allgemein
erkennen.

Erstaunlich ist es, wie wenig in Paris das Plakat
bedeutet. D. h. es schreit genug. Aber es ist immer
noch im ältesten Stil stecken geblieben. Große Illu-
strationen, ganz akademische Zeichnungen, die Linie
Toulouse-Lautrec, die bei uns grundlegend für die Plakat-
kunst war und aufwärts entwickelt wurde, hat sich in
Paris zum Kitsch verflacht, nur bei einem Tänzerplakat
sah ich den nicht üblen Versuch, die Vereinfachung
der Modernen zu verwerten.

Auch einen Blick in alte Arbeitsstätten warf ich.
Die „Palette“ in der Rue du Val de Grace ist verschwunden,
die Schulen in der Rue de la Grande Chaumiere be-
stehen noch, dort lehren jetzt unter anderen Guerin und
der Spanier Castellucho, woraus zu schließen ist, daß
noch immer auf das englische Malhuhn als Hauptkundin
gerechnet wird.

Doch sind wenig Ausländer im Montparnasse. Das
Atelierhaus in der Rue Campagne Premiere, das jedem
Deutschen bekannt ist, birgt deren wenige, meist Scan-
dinavier und Schweizer. Auf den Straßen dort sieht es
nicht viel anders aus wie einst und das Cafe du Dome
steht noch ebenso wie die Closerie des Lilas. Ihr gegen-
über wird noch immer bei Bulier getanzt (d. h. wieder,
wie man mir erzählte) die alten Motive sind also noch
vorhanden, nur eben für uns zu teuer geworden! Bei
Bulier kostet jetzt der Eintritt 4 Frs. und in der Gai'et£
Montparnasse der billigste Platz 3 Frs. In einem einst
beliebten und bescheidenen Familienpensionat kostet es
jetzt den Tag 20 Frs. Solange sich das für uns mit 16
multipliziert, ist Paris für deutsche Künstler ein ver-
schlossenes Paradies!

Gavarni,

Steinzeichnung

Aus der Graphik - Auktion
bei Hermann Abels, Köln

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