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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Maiheft
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Ring, Grete: Peter Cornelius und die Strömungen unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0496

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frohem rheinisch-katholischem Geschlecht stammend,
geht er in Rom durch die Schule des Nazarenertums
und gerät unter den Einfluß des künstlerisch weit
schwächeren, durch den Fanatismus des Glaubens über-
zeugenden Overbeck. Nachdem Niebuhr ihn zur anti-
kischen Lebensbejahung geführt, nachdem goethisch
klassischer Universalismus ihn gestreift, gewinnt in
München wieder der Geist Overbecks die Herrschaft
iiber den Künstler und führt ihn zu leidenschaftlich
mystischer Religiosität. Durch dogmatischen Katho-
lizismus und schellingsche Offenbarungsphilosophie
glangt er zur Klarheit umspannender Synthese in einer
idealen Einigung der beiden großen christlichen Konfes-
sionen. Neben der inneren Entwicklung läuft des
Künstlers äußeres Leben: die Anfänge in Düsseldorf
und Frankfurt, die Berührung mit dem Kreis der Heidel-
berger Romantiker, die italienfahrt, das Leben unter
den „Klosterbrüdern“, die Berufung nach München
durch den Kronprinzen Ludwig, die Münchener Erfolge
und Konflikte, die Berufung nach Berlin, tragisches
Sichselbstüberleben und zu spätes Sterben. Endlich die
Hauptlinie, die künstlerische: von der revolutionären
Großtat des jungen Cornelius, den Faustillustrationen,

über die Bartholdyfresken, den vollendeten formalen
Ausdruck allen Sehnens der Generation und die Glypto-
thekfresken, die nur allzu verständliche Synthese der
großen Zeitprinzipien des Klassizismus und der Roman-
tik, zu der zeit- und gestaltlosen Existenz der Ludwig-
kirchfresken, und dem großen Beschluß Camposanto-
entwürfe dem ergreifenden Testament der klassisch
idealistischen Epoche Deutschlands vor ihrem Unter-
gang. Kuhn weiß die drei Linien sinnvoll zu verschrän-
ken und die Gestalt seines Helden würdig darnit zu
umreißen. Die Abbildungsauswahl, die dem ersten
Entwurf gern vor dem vollendeten Werk den Vorzug
gibt, erinnert allein noch ein wenig an die Wertung der
jahrhundertwende, doch muß man hier wiederum
dankbar sein, anstelle des Wohlbekannten eine Fülle
unpublizierter Blätter von erstaunlichem Reiz zu fin-
den. Sonst ist die Rückverschiebung der Akzente eine
vollkommene und dem Meister, den die Mitwelt als den
„Goethe unter den Malern“ bewundern konnte, dessen
dämonische Natur ein halbes Jahrhundert im Bann
hielt, der Platz über der Menge der biirgerlichen Träger
noch so gelungener Gelegenheits- und Zufallstreffer von
Neuem gesichert.

Lovis Corinth,
Tierstudien

Ausstellung
Galerie Ernst Arnold,
Dresden

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