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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Juniheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Deutsche Buchkünstler und Buchkunstwerkstätten der Gegenwart, [1]: Buchdruckerkunst und Buchschönheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0522

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einen. Dabei mag manches noch in einem gewissen
Übergangszustande sein, der als solchev nur deshalb
oft nicht empfunden wird, weil einige Pressen schon
bisher ausgezeichnetes leisteten, auf den zu verweisen
aber nötig scheint, um ihre Leistuugen deren vollem
Zusammenhange nach besser wiirdigen zu können. Es
ist die Fülle der Gestaltungen, die sich hier klären
möchte und nicht das Begehren einer bloßen Buch-
macherei, wie sie die „Bibliophilen-Luxus-Publikatio-
nen“ geschäftseifrig unter der Buchkunstfahne ver-
hiillen wollen.-

Die Arbeit einer die Buchdruckerkunst pflegenden
Werkstätte beruht nicht allein auf den Hrfolgen, die sie
schon erreichte, sie beruht vor allem auch auf den
Zielen, denen sie zustrebt. So mißlich es scheint, das
Programm mit dem Prospekt zu verwechseln, die An-
kiindigung eines Buches mit der Gesamtleistung eines
Werkstückes, so unumgänglich ist es, daß ein Plan
alles vorsieht, was zu bedenken ist. Die Frage: Was
wollen wir drucken und wie wollen wir es drucken?
beantwortet sich in einer soichen Werkstätte zunächst
durch eine Beziehung auf ihr ,.Ideal-Buch“. Uud wenn
etwa die Doves Press in ihrem unter dieser Überschrift
veröffentlichten Drucke, wenn sie in ihren Vorankiin-
digungen ganz genau den Weg anzeigte, auf dem sie
vorwärts wollte, bewies sie, vielleicht sogar auch in
der Beschränkung auf Jahre vorher bereits bestimmt
bezeichnete Bücher, eine Klarheit, eine Meisterhaft
ihrer Bestrebungen und Leistungen, die fast schon zur
Nüchternheit wurde. Docli entsprang ihre Selbstbe-
grenzung, ihre Selbstsicherheit ihrem Wesen, das eng-
lisch zu heißen hier ein hohes Lob ist. Deutschem Wesen
fehlt meist die Gemütskühle und die aus ihr gebildete
Gemütsruhe, mehr entspricht es seinem metaphy-
sischen Zuge, nicht mit dem erreichten, sondern erst
mit dem hierüber hinaus gewollten sich zufrieden zu
geben. Deshalb mag leicht beim Vergleichen eines
deutschen und eines englischen gerundeten Lebens-
werkes dieses sehr viel zielsicherer ercheinen, weit
weniger abgelenkt und beeinflußt durch Nebendinge,
Pläne und Vorarbeiten, deshalb die Haltung einiger be-
rühmten englischen Pressen den ihnen artverwandten
deutschen überlegen, weil wir dort kein schwankendes
Vorwärtstasten zu bemerken glauben. Doch macht nur
die größere Unbefaugeuheit, mit der wir uns bei der
Arbeit zeigen, derartige Unterschiede aus und es mag

sogar einer Vertiefung unserer Arbeit zugute kommen.
wenn wir sie nicht hinter verschlossenen Türen tun,
wenn wir auch ihre Mißerfolge nicht hehlen, sie vor
Mißverständnissen nicht zu schützen bemühen. Das
und manches andere sich daraus ergebende ist nach-
denkenswert genug, wofern die Parallele zwischen
deutschen und englischen Pressen, die auch aus ge-
schichtlichen Gründen nun einmal ein üblicher Wert-
messer wurde, gezogen wird.

War also der Antrieb seiner Arbeit der Gedanke
des vollendeten Werkstückes, in dem William Morris
die Veredelung und Vertiefung des sogenannten Kunst-
gewerbes erzwang, so war für seine Kelmscott Press
ihr Sinn, sich so bald als möglich an diejenigen Bücher
wagen zu dürfen, deren Druckgestaltung ihm ein inner-
liches Bedürfnis wurde. Darin braucht noch kein Hin-
weis auf ein begrenztes „literarisches Programm“, auf
eine bestimmte Bücherliste zu liegen. Ganz im Gegen-
teil. Die praktischen Riicksichten, die fast mehr noch
als für die Großbetriebe für einen Kleinbetrieb zu
nehmen sind, in dem zum Beispiel die Lebensdauer
seines Leiters meist Anfang und Ende der gesamten
Tätigkeit begrenzen würde und in dem die Ausdehnung
des Betriebes sich verbietet, weil alles auf die Persön-
lichkeit eines Werkleiters gestellt wird, sind derglei-
chen erschöpfenden Aufstellungen eher ungiinstig und
diese hemmen auch insoweit, als sie den Inhalt einer
aufbauenden Zukunftstätigkeit in die Vergangenheit
verlegen würden. Daß die Neudrucke unter den Ver-
öffentlichungen maßgebender Pressen überwiegen, be-
deutet kein Verkennen von Zeitaufgaben, kein Ver-
sagen vor der Buchgestaltung der Gegenwart. Viel-
mehr das Bedürfnis einer Erkennung echter Werte,
deren Erfassung im zeitlichen Abstande leichter wird
als im Kampfe der Tagesmeinungen. Und dieses Be-
dürfnis entspringt dem durchaus berechtigten Wun-
sche, die Kräfte zu sammeln. Eine Presse, die das
Nebenamt eines Literaturpropheten versehen soll,
würde rasch sich verwirren. Sie braucht deshalb nicht
die Drucklegung neuester Schriften auszuschließen, sie
bedarf jedoch eines festen Maßstabes als Zielfinder, der
auf historischen Traditionen ruhen muß, wenn er nicht
versagen soll. Oder einfacher gefragt: weshalb und
wie sollte sich wohl eine Presse von einer Überliefe-

rung, die sie weiterwirken will, trennen?-

(Fortsetzung folgt.)

Adriaen van Ostade
Federzeichnung

Medici-Gesellschaft,

Berlin

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