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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Juniheft
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Donath, Adolph: Die Ausstellung in der Berliner Gemäldegalerie: zum 25 jährigen Bestehen des Kaiser Friedrich-Museums-Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0546

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Dieses Prinzip ist auch in den übrigen drei Interi-
eurs durchgeführt. Aber dort, wo die Rembrandts sind,
steht nocli eine Wand mit erstrangigen Bildern:
Rnbens „Bildnis des Jean van Ghindertalen“, van
D y c k s „Jagdbeute“ und die Szene aus Molieres „Ein-
gebildetem Kranken“ von Cornelis T r o o s t, zu dem
Tony Straus-Negbaur in Berlin-Grunewald die aparte
Ölskizze besitzt. Rechts und links von diesem reprä-
sentativen Niederländer-Kabinett, dessen Gegenüber
ein großer Gobelin von Hans Baldung ist und ein
G o y a („Bildnis eines Mönches“), gleichsam als meis-
terlicher Abschluß aller Alt-Meister-Epochen, breiten
sich die frühen Italiener aus und die frühen Deutschen.
Ein G i o 11 o („Tod Mariä“) hat die Führung. Und in
der Nähe von ihm ist ein Ugolino, ist ein Maineri usw.
Eine bronzene Petrus-Statuette, an Antonio Lombardi
gemahnend, und ein Luca della Robbia bringen Ab-
wechslung in den Raum der primitiven südlichen Mal-
kunst, während am gegenseitigen Ende der Ausstellung
deutsche Holzskulpturen des 15. Jahrhunderts und Pla-
stiken aus Buchs- und Birnbaumholz die Bilderreihe
unterbrechen, in der D ü r e r s „Junges Mädchen“ von
1507 (in seinem prickelnden venezianischen Kostüman-
klang) wundersam harmoniert mit allen den von Max
J. F r i e d 1 ä n d e r wissenschaftlich gewerteten v a n
Eyck, Memling, Meister von Flemalle, Meister
des Marienlebens und Jan Scorel. Den vierten Raum
beherrschen dann die Italiener des 16. bis 18. Jahr-
hunderts: von Bernardo Strozzi bis Piazetta und bis
Tiepolo und Guardi. Und auch in diesem Interieur steht
eine Vitrine mit Kleinplastiken. Unter den großen Pla-
stiken hat die Biiste des dicken Rechtsgelehrten Sanuti
von Sperandio di Bartolomeo (1425 bis nach 1495) Be-
deutung.

Das sind nur einige von den 190 Bildern und Bild-
werken. Aber unter den Deutschen ist auch S c h o n -
g a u e r , unter den Vlamen Quinten Massys, unter den
Italienern Masaccio, Filippino Lippi, Tintoretto
(in der Plastik-Reihe: D o n a t e 11 o , Desiderio da
Settignano, Rossellino), unter den Niederländern P o t -
t e r („Der Stier“) und Terborch. Jetzt wäre nur noch
zu wünschen, daß die Zahl der Meisterwerke sich
melirte, damit das Museum wieder bereichert würde.
Aber eins ist noch selmlichst zu wünschen: daß Bodes
„S o r g e u m d e n B a u“ verscheucht werde! „Es
gilt“, schreibt er, „die Erhaltung, ja die Rettung des
Baues und der darin aufbewahrten Kunstwerke, die —
wie wir sahen — zu einem sehr ansehnlichen Teil Ei-
gentum des Vereins sind. Die Art, wie die von Messel

1907 entworfenen Bauten seither ausgeführt worden
sind, hat das Kaiser Friedrich-Museum in seinen Grund-
festen erschüttert und gefährdet; dadurch sowohl, wie
durch die infolge der langsamen, übertrieben luxuriösen
Ausführung der Neubauten im Kaiser Friedrich-Museum
herbeigeführte Anhäufung neuer Erwerbungen und
durch provisorische Aufstelluug von nicht für den Bau
bestimmten Sammlungen. Die Sammlungen, für die das
Museum errichtet worden ist, haben immer mehr ma-
gaziniert w'-erden müssen und sind dadurch zum guten
Teil nicht nur dem Genuß und Studium entzogen, son-
dern sind stark gefährdet und zum Teil schon wesent-
lich beschädigt worden. Als nun vor bald vier Jahren
der Innenausbau des für die ältere deutsche Kunst be-
stimmten Nordflügels der Messel-Bauten eingestellt
wurde, haben sich diese Übelstände und Gefahren im
Kaiser Friedrich-Museum noch wesentlich gesteigert,
so daß der Vorstand unseres Vereins den Herrn Mini-
ster vor einiger Zeit darauf aufmerksam zu machen ge-
zwungen war. Herr Minister Boelitz hat unseren Dar-
stellungen williges Gehör geschenkt und hat freund-
lichst mitgeteilt, daß er es als seine „selbstverständliche
Pflicht betrachte, die knappen Mittel, die für den Ausbau
des Museums bei der heutigen wirtschaftlichen Lage
leider nur zur Verfügung gestellt werden können, in
erster Linie für den Ausbau des Nordflügels und des
Altarraumes im Pergamonmuseum zu bestimmen“.
Wenn dies erreicht sein wird und wenn durch die Ver-
teilung der jetzt im Kaiser Friedrich-Museum zusam-
mengedrängten Kunstschätze auch auf den Nordflügel
des Neubaus den Abteilungen der Gemälde und der Bild-
werke der christlichen Epochen die Ausdehnungsmög-
lichkeit gesichert sein wird, die ihnen gebührt, so kann,
glaube ich, unser Verein mit einiger Befriedgung auf das
erste Vierteljahrhundert seines Bestehens zurück-
blicken.“

Ja, die Bemerkungen Bodes tiber die Erschiitterung
der Grundfesten des Museums sind durchaus nicht
grundlos. Wer die u n z ä h 1 i g e n R i s s e gesehen
hat, die infolge der Bautätigkeit im benachbarten Nen-
bau an den Wänden des Kaiser Friedrich-Museums ent-
standen sind, und wer die Not kennt, die durch die ge-
radezu trostlos wirkende M a g a z i n i e r u n g d e r
K u n s t w e r k e immerzu im Museum wächst, muß es
fiir selbstverständlich halten, daß der geistige Schöpfer
des Kaiser Friedrich-Museums immer eindringlicher auf
die Mißstände hinweist. Hier handelt es sich um Ge-
deili und Verderb einer unvergleichlichen Pflegestätte
alter Kunst und Kultur!

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