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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Bassermann-Jordan, Ernst von: Eine Automatenfigur aus der Zeit Kaiser Karls des Fünften
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0579

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6ine Automatenfigui? aus dev 3eit Kat'fer Kacts des fünften

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üon ßaffet’mann^lot’dan

jas antike Automatenwesen, über das uns die
Schriften Herons von Alexandria am besten unter-
richten, ist niemals ganz erstorben. Die Mechanik der
Byzantiner und die Uhrmacherei der Araber führten es,
bewußt eine Tradition pflegend, durch Jahrhunderte
fort, und arabische Einflüsse — aucli aus dem muham-
medanischen Spanien — sind da und dort in Frank-
reich, in Deutschland und Ita-
lien leise zu verspüren. In
Burguna scheint die antike
Tradition während des ganzen
Mittelalters nie vollkommen
unterbrochen gewesen zu sein.

Die Anwendung der Spiral-
feder in Uhren seit dem An-
fange des 15. Jahrhunderts
war naturgemäß dem Bau be-
weglicher Figuren förderlich,
und es ist gewiß kein Zufall,
daß wir gerade dem Hofe
Philipps des Guten von Bur-
gund (1419—1467) die erste
erhaltene Uhr mit Federzug
verdanken, jenem Hofe also,
an dem die vorzüglichsten
Automatenwerke dieser Zeit
entstanden sind. Erhalten ist
davon gar nichts. Nur die In-
ventare sprechen davon, und
die Beschreibung von Auto-
maten, die als Tafelzier dien-
ten, beweist, daß diese Werke
mit Gewichtsantrieb über-
haupt nicht, mit Wasserantrieb
kaum denkbar sind.

In der Renaissance brachte
das erhöhte Interesse für die
antiken Schriftsteller auch ein
neues gründliches Studium der
Schriften Herons una wachsende Freude an
Automatenwerken. Charakteristischer Weise ge-
hören a 11 e Handschriften über die ,,Druckwerke“
Herons bis auf e i n e aer Renaissance an. In der
Frührenaissance Italiens hören wir wieder öfter von
größeren Automaten, und selbst Fionardo da Vinci hielt
es 1509 nicht für unter seiner Würde, für den Empfang
König Fudwigs XII. ein Automatenwerk zu verfertigen.
Erhalten ist auch aus diesen Zeiten nichts: das Spiel-
zeug der Erwachsenen teilt das Schicksal des Kinder-
spielzeuges, es dauert nicht.

Die früheste erhaltene mir bekannte Automaten-
figur stammt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Es ist
eine weibliche Figur, die heute in die reiche Tracht des

ausgehenden 16. Jahrhunderts gekleidet ist. Die Figur
hat die Größe einer mittleren Kinderpuppe von heute.
In dem aus Eisenspangen gebildeten Rumpfe (Abb. 1)
ist das eiserne Faufwerk untergebracht, das sich durch-
weg aus Elementen zusammensetzt. die der Uhrmache-
rei der Mitte des 16. Jahrhunderts geläufig waren. Die
Figur wird durcli zwei Faufräder fortbewegt, wobei

sie die Füße vor und zurück-
setzt und mit der rechten
Hand eine Faute schlägt, die
sie fest in der Finken hält. Da-
zu bewegt die Figur den Kopf
abwechselnd nach rechts und
und nach links. Die Puppe,
deren Enstehungszeit — nicht
n a c h 1550 — am zuverlässig-
sten aus der breiten Form der
Schuhe geschlossen werden
kann, ist zunächst mit einem
weißen ausgeschnittenen Fei-
nenhemde bekleidet. Der
Automat wurde pfleglich be-
handelt und in Ehren gehalten,
denn als sein ursprüngliches
Kleidchen verbraucht und aus
der Mode war, fertigte man
ihm — etwa 40 Jahre
später — ein neues, das im
wesentlichen die Formen der
damals von Spanien aus-
gehenden internationalen
Hoftracht und der Tracht der
Vornehmen zeigt. Den Aus-
schnitt des „Brüstlings“ haben
wir uns mit einem jetz ver-
lorenen weißleinenen Kragen-
einsatz und mit einer Krause,
dem Krös, bedeckt vorzu-
stellen. Die Figur trägt eine
große Mantelschleppe, dazu ein Häubchen, das wohl
einmal mit einer Feder geschmückt war (Abb. 2). In
den Farben der Seidenstoffe herrscht rot und gelb vor.
Am Gesichte, das mit emailartigen Farben gefaßt ist,
haben noch spätere Zeiten gebessert und geändert, die
Faute ist noch die alte. So ist diese kleine Kostbarkeit
auf uns gekommen, wohl die einzige ihrer Art von ehe-
dem mehreren, noch heute geduldig und mit viel Ge-
räusch dahinlaufend und ihre Bewegungen ausführend,
wenn eine sorgende und kundige Hand das Werk auf-
gezogen hat. Die Puppe ist alter österreichischer Pri-
vatbesitz und kam durch Erbgang aus den Nieder-
landen dahin.

Abbildung 1

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