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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Augustheft
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Bülow, Joachim von: Kunst und Clique
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0610

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In Frankreich ist die C'lique iiberhaupt selten, eine
untergeordnete Erscheinung neuesten Datums, die Fau-
ves, die Kubisten, die Futuristen sind Cliquen, aber nicht
so fest gefügt wie unsere. Der Salon d’Automne ist
keine, ebensowenig wie die Independents. Die vom
Champs de Mars waren es ganz kurze Zeit, bis sie zu
zahlreich wurden; die im Großen Salon Vereinigten
sind es noch am ehesten. Sie schließen sich wenigstens
hermetisch ab gegen alles, was Kunst und Fortschritt
heißt, ähnlich wie bei uns lange Zeit die staatlich ge-
billigten Ausstellungen.

In England gibt es auch Cliquen. Am stärksten
aber sind sie bei uns entwickelt und darum am ver-
heerendsten. Ein bißchen ist das die deutsche Vereins-
meierei, dann auch die dentsche Titelsucht. Sich Prä-
sident nennen zu dürfen, ist selbst für einen Künstler
ein erstrebenswerter Ehrgeiz. In der Hoffnung, es
werden zu können, tritt ein jeder in seine Clique ein.
Mancher erreicht es auch als Alterserscheinung oder
weil er, ein König unter den Blinden zuriickbleibt, wenn
aie Clique sich in gute und bessere spaltet.

Die Clique ist eine soziale Erscheinung. In deut-
schen Landen war die Vergesellschaftung immer stark.
Die Überzeugung, daß Sa-mmlung Stoßkraft gibt, ist der
verständigste Grund der Cliquenbildung. Dennoch hält
keine Kunstclique lange aus, es sei denn, daß sie wirt-
schaftlich so fest gefügt ist, daß ein Auseinanderfallen
allen schweren Schaden bringt. Der Hauptzweck der
Clique ist nicht die Förderung der Kunst, nicht einmal

die der Mitglieder selbst, sondern die Beschaffung der
Ausstellungsgelegenheit. Eine Clique kann heut iiber-
all ausstellen, auch wenn sie gänzlich verblödete Kunst
bringt, sei es senilen oder infantilen Blödsinn. Der Ein-
zelne, der dies tut, kommt allein nicht dnrch. Die Ko-
sten einer Ausstellung sind heut einfach nicht zu be-
streiten. Die Kraft für ihre Vorbereitungen nimmt der
Kunst selbst Schaffensmöglichkeiten, darum überläßt
man es der C'lique und daruin steht und fällt sie mit
der Ausstellungsfrage als solche.

Solange wir Kunstausstellungen haben müssen,
weil das Publikum nicht zu den Künstlern in die Werk-
statt kommt, solange werden wir Cliquen behalten und
solange wird eine große Anzahl von mittelmäßigen
Künstllern, die besser täten, Stuben anzustreichen, von
den guten mitgeschleppt werden, solange wird ihr
Durchschnitt den Geschmack der Menge unter Niveau
halten, solange aber wird es auch Künstler geben, die
ihren eigenen Weg gehen wollen und sich nicht ein-
reihen können und darum draußen bleiben, der Menge
unbekannt, dem Kunstpublikum unheimlich, weil es
nicht mit einem seiner Schlagworte an sie herankann,
bis sie tot sind oder bis einmal einer sie entdeckt und
dann feierlich einlädt, als Ehrengast auszustellen, da-
mit seine Clique einen neuen Glanz erhält.

Solch einem Cliqucnfeind kann es passieren, daß
er doch noch zu guterletzt eingereiht wird oder daß
ihn posthum die einen oder andern dann als die ihren
reklamieren. Denn die C'lique siegt immer, weil sie der
Inbegriff von Kunstfeindlichkeit ist.

Max Svabinsky,
Mittag an der Elbe

Graphik-Verlag
Jan Stenc, Prag

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