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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Augustheft
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Waser, Otto: Eine Neuerwerbung der Zürchner Archäologischen Sammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0612

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Kopfe sind das Zurückweichen der Stirn und der tiefe
und asymmetrische Ansatz der Ohren, der nicht im
Einklang ist mit der im übrigen etwas archaisch anmu-
tenden Formensprache. Beides findet für mich seine
Erklärung in der einstigen Stellung des Kopfes: offen-
bar war das Antlitz hochgestellt und geneigt. In solcher
Lage, die die sonst unangenehm wirkenden Eigenheiten
ausgleicht und begründet, habe ich den Kopf denn auch
photographieren lassen. Für die richtige Einschätzung,
ev. auch Rekonstruktion und ursprüngliche Be-
stimmung des Werkes ist diese geneigte Haltung von
größter Wichtigkeit; das läßt sich recht wohl veran-
schauiichen durch die Gegenüberstellung verschiedener
Aufnahmen, Heranziehung von solchen, die den Kopf
auf ebener Fläche ruliend zeigen (vgl. z. B. Abb. 3), —

Abb. 1. Antiker Marmorkopf aus Albanien
in der Zürcher Archäolog. Sammlung. Phot. Ernst Linck, Zürich.

In der Dreiviertelansicht (Abb. 2), in der der Kopf die
großartigste Wirkung tut, wie herrlich durchleuchtet
wirkt, kommt in besonderem Maße das zur Geltung,
was zu der Annahme der Entstehung des Werkes in
späterer Zeit nötigt. Eine solche Weichheit, Feinheit
und Belebung der Oberfläche, wie sie da sich kundgibt
in der Modellierung der rechten Wange, des runden
Kinns, in dem ganz zart auch ein Grübchen angedeutet
ist, in der Bildung der lebensvoll schwebenden Lippen,
des schwellenden, zu einem sanften Lächeln leise ge-
öffneten Mundes und der außerordentlich fein ge-
schwungenen Nasenfliigel ist für die frühere Zeit, auf
die doch die Gesamtanlage des Kopfes weist. nicht
denkbar. Man dart direkt behaupten, daß eine derartige
Mund- und Nasenbildung selten sich findet unter den er-
haltenen Denkmälern; und noch eindrücklicher ge-

macht wird diese zarte Lebendigkeit durch das trans-
parente Korn des Marmors. — Der Kopf in der Seiten-
ansicht nach rechts (Abb. 4), die die eigentümliche,
kräftig prononcierte Profillinie augenfällig macht, läßt
wieder mehr die dekorative Anlage des stark ins Vo-
lumen gehenden Hauptes erkennen. — Sodann wird
eine Vergleichung des Kopfes mit dem ,Wardschen“
(Abb. 5) am ehesten verdeutlichen, was an dem Zürcher
Kopf in die vorpheidiasische Zeit zurückweist. Vor
allem ist es die analysierende Formengebung in der
obern Gesichtshälfte, wie sie zumal sich ausspricht im
Haaransatz, in dem Flächigen der Stirn, der scharfen
Umgrenzung von Augen und Augenbrauen, in der gan-
zen auf strenge Frontalität und Symmetrie berechneten
Anlage. Was die beiden Köpfe unterscheidet, ist, ab~

Abb. 4. Antiker Marmorkopf aus Albanien in Profilansicht.
Pliot. Ernst Linck, Zürich

gesehen von der verschiedenen Breite der Gesichter.
in erster Linie die ungleich lebendigere Formengebung
in der Mundpartie des Zürcher Kopfes und dessen groß-
zügigere Behandlung des Haares. Hält man die beiden
Kopfe in der Profilansicht nebeneinander. so wird vor
allem der Unterschied auffällig in der Stellung der Oh-
ren: beim Wardschen Kopf sind die Ohren nach archai-
sc'ner Gepflogenheit übernatürlich hochgestellt, wo-
gegen sie beim Zürcher zu tief sitzen, etwa wie beim
gleichfalls für hohe Aufstellung und geneigte Haltung
berechneten Hypnoskopf (aus Perugia im Brit. Museum)
aus nachpraxitelischer Zeit. Überdies tritt besonders
deutlich hervor die herbere Mundbildung und vollere
Entwicklung des Kinns beim Wardschen Kopf, beides
in mehr archaischem Sinn. — Anderseits wird man bei
einer Vergleichung der beiden Köpfe mit einem pheidia-

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