die freilich erst im Entstehen waren, um deren Bildung
ich aber gleichfalls keinerlei Verdienst hatte oder zu
deren Besitzern ich erst später in Beziehung trat. Es
waren dies meist Sammlungen mit Werken der Klein-
kunst und des Kunstgewerbes, wie sie in Berlin selbst
zusammengebracht werden konnten. Denn für alte
Bilder hatte Berlin einen Markt damals überhaupt noch
nicht oder wenigstens nicht mehi ; was hier in den
siebziger Jahren an einzelnen guten alten Stilleben
oder Porträts in den Handel kam, brachte meist der
alte N. L e p k e , der einen sehr feinen kiinstlerischen
Sinn hatte, aus Paris mit; diese Bilder pflegte er, melir
aus Gefälligkeit, befreundeten Malern zu überlassen.
Dagegen war Berlin ein nicht unbedeutender Markt für
objets de vitrine, namentlich fiir deutsche Werke des
18. Jahrhunderts: Porzellan, Silbcr, Emaills, Medaillen
und Buchsschnitzereien, gelegentlich auch von Teppi-
clien, die sich in reicherer Zahl noch in den alten adligen
Familien Berlins und der Nachbarschaft befanden. Der
Haupthändler von solchen Werken der Kleinkunst war
damals der „alte“ Lewy, gelernter Uhrmacher und
Goldschmied, ein sehr geschickter „Basteler“ und Res-
taurator. Dieser kleine, verwachsene Mann war ein
Original von feiner künstlerischer Ernpfindung, aber
auch voller Schrullen! Auf die Museumsleute wai er
nicht gut zu sprechen; ebensowenig waren es seine
bevorzugten Kunden, die sich auch von unserer Aus-
stellung in der Akademie ganz fernhielten, obgleich der
alte Lewy selbst sich lcbhaft dafür interessierte; war
er doch ein großer Verehrer des Kronprinzen. Seine
beideit passioniertesten Käufer, weitaus die gltick-
lichsten Sammler damals in Berlin, waren R jbert
Tornow und der erheblich jüngere Dr. Georg Rei-
chenheim. Tornow hatte seine kleine Villa mitten in
Berlin, nahe beim Schloß Monbijou. Das kronprinz-
liche Paar, das seine Schätze gcrne gesehen hätte, hatte
durch dritte deswegen beim Besifczer anfragen lassen,
aber Tornow, der waschechter Demokrat war, ließ
nichts von sich hören. Da entschloß sich der Kronprinz,
ihm seinen Rcsueli einfach selbst anzumelden. Als er mit
der Kronprinzessin im Vorplatz eintrat, teilte ihm der
Diener mit, daß Herr Tornow leider erkrankt sei und
das Bett hüte. Aber der Kronprinz ließ sich nicht ab-
schrecken. Er hatte beim Eintreten gehört, daß Tor-
now oben im Vorplatz stand und seinen Diener infor-
mierte; daher rief er kurz entschlossen nach oben;
„Herr rornow, machen Sie keine Scherze; kommen
sie herunter und zeigen Sie der Frau Kronprinzessin
ihre SammlungenV I ornow kam, war überrascht von
dem „reizenden, ganz menschlichen“ Ehepaar und,
als er einige Wochen später zum Tee ins Neue Palais
„befohlen" wurde, kam er mit Freuden; er war so
begeistert für die liebenswtirdige, kunstsinnige Prin-
zessin, daß er ihr in seinem Testament seine ganze
Sammlung vermachte. Wenige Wochen nach jenem
,Tee“ im Neuen Palais starb er, und die Sammlung
ging in den Besitz der Frau Kronprinzessin iiber.
Robert J'ornow hat ganz nach eigenem Geschmack
gesammelt. Ebenso selbständig sammelte Dr. G e o r g
Reichenheim; er war auch im gleichen Maße Son-
derling und ebenso unzugänglich, namentlich Museums-
direktoren gegenüber. deren „iibelster Typ“ ihm Julius
Lessing war. Äußerst kritisch und schwierig bei der
Entscheidung über einen käuflichen Gegenstand — zu-
nächst pflegte er alles, was er in die Hand nahm, fiir
Fälschung oder total restauriert zu erklären — hat er
init seiner Gattin, Frau M a r g a r e t e 0 p p e n h e i m -
R e i c h e n h e i m , die heute die gliickliche Besitzerin
der Kunstschätze ist, eine Sammlung von Werken der
Kleinkunst zusammengebracht, so mannigfach und fein
wie sie kein Zweiter je in Berlin vereinigt hat. Aticli
ihm gegenüber brauchte ich Jahre, ehe ich das Eis
seiner Abneigung gegen jeden „Museumsmenschen“
brechen und einen gewissen Einfluß sogar auf die
Richtung seines Sammelns gewinnen konnte.
Robert Tornow wie Georg Reichenheim hielten sicli
fern von der Akademie-Ausstellung 1883. Ein dritter
ebenso selbständiger und eifriger Sammler, 0 s k a r
H a i n a u e r war dagegen mit uns einer der Organisa-
toren dieser Ausstellung, und seine Sammlung bildete
neben der des Grafen W. Pourtales und neben den
Kunstwerken aus den K. Schlössern einen Hauptteil der
ganzen Ausstellung. Hainauer hatte zunächst nach dem
Krach 1874 eine ältere Berliner Sammlung von deut-
schen Porzellanen und späten Holzschnitzereien als
ganzes erworben. Als er dann als Berliner Vertreter
des Pariser Hauses Rothschild mit den dortigen Kunst-
sammlungen der Rothschilds bekannt wurde, begann er
nach der gleichen Richtung zu sammeln, namentlich mit
Hilfe des Antiquars Friedrich Spitzer. Er gewann da-
durch besonderes Interesse für die italienische Kunst
und nahm sich vor, diese auch an der Ouelle zu sam-
mein. Dies brachte mich, etwa um 1880 in Beziehung
zu ihm. Hainauer war der erste Berliner, den ich zum
Sammeln im großen Stil und von hoher Kunst bewegen
konnte, während ich bis dahin nur einem alten Freunde
in meiner Vaterstadt Braunschweig, Heinrich Vieweg,
und Alfred Thieme in Leipzig in ähnlicher Weise beim
Sammeln hatte behilflich sein können. Wie die Aus-
stellung in der Akademie im Frühjahr 1883 auf das
Sammelwesen in Berlin einwirkte, und wie ich selber
dabei mitwirken und später neuen Sammlern vielfach
helfen konnte, darf ich Ihnen wohl ein andermal er-
zählen.
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ich aber gleichfalls keinerlei Verdienst hatte oder zu
deren Besitzern ich erst später in Beziehung trat. Es
waren dies meist Sammlungen mit Werken der Klein-
kunst und des Kunstgewerbes, wie sie in Berlin selbst
zusammengebracht werden konnten. Denn für alte
Bilder hatte Berlin einen Markt damals überhaupt noch
nicht oder wenigstens nicht mehi ; was hier in den
siebziger Jahren an einzelnen guten alten Stilleben
oder Porträts in den Handel kam, brachte meist der
alte N. L e p k e , der einen sehr feinen kiinstlerischen
Sinn hatte, aus Paris mit; diese Bilder pflegte er, melir
aus Gefälligkeit, befreundeten Malern zu überlassen.
Dagegen war Berlin ein nicht unbedeutender Markt für
objets de vitrine, namentlich fiir deutsche Werke des
18. Jahrhunderts: Porzellan, Silbcr, Emaills, Medaillen
und Buchsschnitzereien, gelegentlich auch von Teppi-
clien, die sich in reicherer Zahl noch in den alten adligen
Familien Berlins und der Nachbarschaft befanden. Der
Haupthändler von solchen Werken der Kleinkunst war
damals der „alte“ Lewy, gelernter Uhrmacher und
Goldschmied, ein sehr geschickter „Basteler“ und Res-
taurator. Dieser kleine, verwachsene Mann war ein
Original von feiner künstlerischer Ernpfindung, aber
auch voller Schrullen! Auf die Museumsleute wai er
nicht gut zu sprechen; ebensowenig waren es seine
bevorzugten Kunden, die sich auch von unserer Aus-
stellung in der Akademie ganz fernhielten, obgleich der
alte Lewy selbst sich lcbhaft dafür interessierte; war
er doch ein großer Verehrer des Kronprinzen. Seine
beideit passioniertesten Käufer, weitaus die gltick-
lichsten Sammler damals in Berlin, waren R jbert
Tornow und der erheblich jüngere Dr. Georg Rei-
chenheim. Tornow hatte seine kleine Villa mitten in
Berlin, nahe beim Schloß Monbijou. Das kronprinz-
liche Paar, das seine Schätze gcrne gesehen hätte, hatte
durch dritte deswegen beim Besifczer anfragen lassen,
aber Tornow, der waschechter Demokrat war, ließ
nichts von sich hören. Da entschloß sich der Kronprinz,
ihm seinen Rcsueli einfach selbst anzumelden. Als er mit
der Kronprinzessin im Vorplatz eintrat, teilte ihm der
Diener mit, daß Herr Tornow leider erkrankt sei und
das Bett hüte. Aber der Kronprinz ließ sich nicht ab-
schrecken. Er hatte beim Eintreten gehört, daß Tor-
now oben im Vorplatz stand und seinen Diener infor-
mierte; daher rief er kurz entschlossen nach oben;
„Herr rornow, machen Sie keine Scherze; kommen
sie herunter und zeigen Sie der Frau Kronprinzessin
ihre SammlungenV I ornow kam, war überrascht von
dem „reizenden, ganz menschlichen“ Ehepaar und,
als er einige Wochen später zum Tee ins Neue Palais
„befohlen" wurde, kam er mit Freuden; er war so
begeistert für die liebenswtirdige, kunstsinnige Prin-
zessin, daß er ihr in seinem Testament seine ganze
Sammlung vermachte. Wenige Wochen nach jenem
,Tee“ im Neuen Palais starb er, und die Sammlung
ging in den Besitz der Frau Kronprinzessin iiber.
Robert J'ornow hat ganz nach eigenem Geschmack
gesammelt. Ebenso selbständig sammelte Dr. G e o r g
Reichenheim; er war auch im gleichen Maße Son-
derling und ebenso unzugänglich, namentlich Museums-
direktoren gegenüber. deren „iibelster Typ“ ihm Julius
Lessing war. Äußerst kritisch und schwierig bei der
Entscheidung über einen käuflichen Gegenstand — zu-
nächst pflegte er alles, was er in die Hand nahm, fiir
Fälschung oder total restauriert zu erklären — hat er
init seiner Gattin, Frau M a r g a r e t e 0 p p e n h e i m -
R e i c h e n h e i m , die heute die gliickliche Besitzerin
der Kunstschätze ist, eine Sammlung von Werken der
Kleinkunst zusammengebracht, so mannigfach und fein
wie sie kein Zweiter je in Berlin vereinigt hat. Aticli
ihm gegenüber brauchte ich Jahre, ehe ich das Eis
seiner Abneigung gegen jeden „Museumsmenschen“
brechen und einen gewissen Einfluß sogar auf die
Richtung seines Sammelns gewinnen konnte.
Robert Tornow wie Georg Reichenheim hielten sicli
fern von der Akademie-Ausstellung 1883. Ein dritter
ebenso selbständiger und eifriger Sammler, 0 s k a r
H a i n a u e r war dagegen mit uns einer der Organisa-
toren dieser Ausstellung, und seine Sammlung bildete
neben der des Grafen W. Pourtales und neben den
Kunstwerken aus den K. Schlössern einen Hauptteil der
ganzen Ausstellung. Hainauer hatte zunächst nach dem
Krach 1874 eine ältere Berliner Sammlung von deut-
schen Porzellanen und späten Holzschnitzereien als
ganzes erworben. Als er dann als Berliner Vertreter
des Pariser Hauses Rothschild mit den dortigen Kunst-
sammlungen der Rothschilds bekannt wurde, begann er
nach der gleichen Richtung zu sammeln, namentlich mit
Hilfe des Antiquars Friedrich Spitzer. Er gewann da-
durch besonderes Interesse für die italienische Kunst
und nahm sich vor, diese auch an der Ouelle zu sam-
mein. Dies brachte mich, etwa um 1880 in Beziehung
zu ihm. Hainauer war der erste Berliner, den ich zum
Sammeln im großen Stil und von hoher Kunst bewegen
konnte, während ich bis dahin nur einem alten Freunde
in meiner Vaterstadt Braunschweig, Heinrich Vieweg,
und Alfred Thieme in Leipzig in ähnlicher Weise beim
Sammeln hatte behilflich sein können. Wie die Aus-
stellung in der Akademie im Frühjahr 1883 auf das
Sammelwesen in Berlin einwirkte, und wie ich selber
dabei mitwirken und später neuen Sammlern vielfach
helfen konnte, darf ich Ihnen wohl ein andermal er-
zählen.
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