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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 1 (Oktoberheft 1930)
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Gedichte von Maria Luise Weißmann
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Weissmann, Maria Luise: Gartennovelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0039

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Auf ein Paket mit Briefen

So jahrlang totgesagt, daß ich es hob
Wie eine Aschenurne. Und gefaßt,

Daß nicht der Staub auS dem Verblichnen stob,
Wollt ich sie tragen. Doch mkch bog die Last:

Entschwundne Himmel brachen strahlend nieder,
Versuchung lispelte wie einst die Schlange,
Verlorne Höllen kehrten lächelnd wieder
Und schmiegten sich vertraut um Stirn und Wange.

Und alle brannten wie das Leben brennt
Und waren feurig-blühend, nackt und rot,

Und sprachen chorweis: dies nun ist das End.

Wir leben, leben. Aber du bist tot.

M und

Jch bin nur noch ein Mund, der zu Dir spricht,
So schwand ich hin, verlor sich mein Gesicht
Und all der Leib, zu dem ich mich versammelt.

Jch bin nur noch ein Mund, der zu Dir stammelt,
Der leben blieb, sein Sterben Dir zu künden:

Er tut sich auf, und muß schon in Dich münden.

GarLennovelle

Von Marr'a Lurse Weißmann

(Aus dem Nachlaß)

icht, daß der Name Veromka so sehr der Bläue lhres Blickes gegolten

^ ^ hätke, obgleich es jeder glauben mußLe, der sie sah. Die MuLLer haLLe
sie so genannL, erlöschend nach dem schweren Kampf der GeburL, lächelnd in
einer Erinnerung, wie sie den SLerbenden zusirömL aus KindheiL und ihrcm
srühen Himmel: einem blassen Vorfrühlingshimmel droben im Norden, wo
DeuLschland lag.

Der GarLen, in dem Veronika zurückblieb, stieg als letzLe Stufe des großen
Gebirges zur Ebene hinab. Er siieg hinab in einen sanfLen und blassen See
der südlichen Ebene und dann, von seiner Tiefe gespiegelt, wieder ans ihm
empor in einem ewig schwebenden GleichgewichL.

2lls Kind, von einer unachtsamen WärLerin allein gelassen, lief sie einmal,
verwirrt, weiter den Weg, den sie gekommen war; wieder znrück, wie sie
glaubte, aber das Wasser sland um ihre Füße. Von diesem Tag an hielL sie
sich lange Zeit vom Ufer fern.

Der GärLner, der den GarLen betreute, war alt. Haar hing in breiten Sträh-
nen um sein GesichL, das Wind und Sonne gegerbt haLLen, so daß die Haut
ein braunes und hartes Stück Leder geworden war. Die Haare erinnerten
Veronika an das seltsam sireifige Grau eines Gehäuses, das sie einmal in dem
Gebälk des Speichers hängend gefunden haLLe. Der Finger, miL dem sie
es berührte, ziLLerte unter einem fernen dunklen Gesumm, das aus dem
Fnnern kam.

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