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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 6 (Märzheft 1931)
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Aus Christian Wagners Dichtungen
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Kraft, Werner: Über Christian Wagner
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0443

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ZitronenfalLer
Du, so schwebend über sonnigen Hügeln,

Falter hier, mit den Zitronenflügeln:

Sag, ob du erkannt mich als Bekannten,

Vater, Gatten oder sonst Derwandten,

Daß du scheue Flamm dich kannst erdreisten,

Magi'sch dreimal um mich her zu geisten? —

Kommst du her von höhern Regionen,

Wo die Frommen, roo die Seligen wohnen,

Um verwandelt so im Wald der Buchen
Mich nnd heilige Stätten aufzusuchen?

Über Chrisiian Wagner

Von Werner Kraft

d^ie LikeraLur über Christian Wagner ist nicht reich. Das schöne, auch in
^-^den im Gegenstande liegenden Abschweifungen über Tierquälerei, Vogel-
mord usw. durchaus ernste Buch von Richard Weltrich: Christian Wagner,
der Bauer und Dichter von Warmbronn (Stuttgart 1898) Lst die umfas-
sendste Außerung, welche bis hente über ihn vorliegt; sie behandelt, vielfach
erschöpfend, den gesamten Problemkreis des einsamen Denkers und außer-
ordentlichen Lyrikers. Der Aufsah von Seilliere in der klevus c>68 cleux.
rnouc!68 (1901) beruht auf Weltrich, bringt nichts wesentlich Neues uud
enthält von sprachlicher Erfassung keine Sgur. Hermann Hesses Aus-
wahl (191Z) entwertet etwas das eigene Verdienst durch eine C'inleitung, die
nur gewunden zu ihrem eigenen Werturteil steht. Wäre „Spätes Erwacheu"
von Lenau oder Dehmel (S. 7), so bedürfe es keiner Worte über den Wert
eines solchen Gedichts — eine Logik, die völlig vergißt, daß doch auch Lenau und
Dehmel einmal so nnbekannt waren wie Wagner, der mindestens Dehmel an
Sprachtiefe weit hinter sich läßt. Die von Otto Güntter herausgegebenen „Ge-
sammelten Dichtungen"* sind noch immer am besten geeignet, sich ein Bild von
dem Dichter zu machen, welches das C'indringen in die verschollenen Original-
ausgaben nicht wesentlich verändern dürfte. Die wachsende Wirkung Wag-
ners bezeichnet die Tatsache, daß Karl Kraus in der „Fackel" (Iüli 1922)
zwei Gedichte — „Zitronenfalter" und „Syringen" — abgedruckt hat,
mit der Bemerkung: „Es wird in deutfcher Sprache nicht viele Wunder
von der 2lrt der dritten und der leHten Strophe von ,Syringen^ geben."
Es ist traurig, festftellen zu müssen, daß Iosef Rkadler Wagner mit ein
paar nichtssagenden Floskeln nebeu Cäsar Flaifchlen abtut, weil beide aus
Schwaben ftammen. Das lebendigfte, noch auf persönlicher Bekanntschaft
beruhende Bild der Persönlichkeit Wagners geben Stellen im ersten Bande
von Guftav Landauers Briefwechsel. Erinnert sei auch an Hedwig Lachmanns
fchönes Gedicht zum 7g. Geburtstag des Dichters**.

Chriftian Wagner, ein armer fchwäbischer Bauer, dessen mühseliges Leben
von einem Strahl des Genius verklärt wurde, ift 1918 achtzigsährig geftorben.

* 2. 21ufl Scurt^art: Strecker SchröSer 1918.

** Gesammelte Gedichte. Potsdam 1919. S. 7Z.
 
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