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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 7 (Aprilheft 1931)
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Michel, Wilhelm: Nein und Ja zur Kunstpflege
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Brock, Erich: Gertrud von le Fort
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0504

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Heuke ist das Leben dunkel und bis ins Herz ohne Freude. Auch wo das wirt-
schafiliche Elend nicht hin reicht, ist die geistige Lebensbasis schlimm verknappt.
Man darf wohl nicht sagen, daß das eine Folge jener unheimlichen Ermat-
tung der Kunstkräfte, jener Kunstzweifel, jener verringerten Kunstgeltung Lst,
die wir hier vor Augen haben. Aber man darf gewiß sagen, daß diese Vev-
dunkelung des Lebens mit der Schwächung der Kunstposition inZusammen-
hang steht. Wir sollten uns dadurch von neuem an das Große, Lebendige
mahnen lassen, dem die Kunst ein Zeichen ist, und nicht nur ein Zeichen, son-
dern eine helfende, bewirkende und stiftende Kraft.

GerLrud von le Fork

Von Erich Brock

I.

(^n engeren Kreisen, welche nicht nach den Suggestionen des Tages sich orien-
^)tieren, sondern Lmstande sind, sich der Höhenordnung der DLnge selbst zu
öffnen, ist der Nckme Gertrud von le Fort schon lange als einer der ersten in der
deutschen Gegenwartsdichtung bekannt. Daß das Werk dieser Dichterin nicht
vor aller Welt seinen wirklichen Rang einnimmt, erklärt sich zwanglos daraus,
daß es ganz unmittelbar und unabweisbar an den Leser gewisse persönliche und
menschliche Ansprüche stellt und sich nicht in handlichen Neklameschlagwörtern
austangen läßt. Es ist schwer, heute in Deutschland den Versuch zu machen,
eine literarische Erscheinung ersten Ranges anzuzeigen, weil durch eine maßstab-
lose Kritik alle Superlative entkräftet worden sind und für wLrkliche Ausnahme-
fälle nun alle Wertausdrücke eine schwer zu überwindende Bedeutungslosigkeit
gewonnen haben.

Gertrud von le Fort stammt aus einer jener oberitalienischen Refugiantenfami-
lien, welche um des Glaubens willen die Heimat verließen und der Welt manch
bedeutenden Kopf, manches starke und tiefe Herz geschenkt haben, — leicht be-
greiflich, da es ja kaum die Schlechtesten gewesen sein müssen, die ihre Heimat
dem Gewissen opferten. Von der welschen Schweiz, wohin die Familie zuerst
gelangke, breitete sie sich auch nach Norddeutschland aus. Die Dichkerin selbst
entstammt mecklenburgischen Gutsbesitzerskreisen. Soweit Lhre äußern Lebens-
umstände für ihr Werk bedeutsam wurden, stoßen wir auf ein Verhältnis enger
Schülerschaft zu dem bedeutendsten protestantischen Theologen der Vorkriegszeit,
Ernst Troeltsch, belegt durch die posthume Herausgabe seiner nur in Form
einer Vorlesung ans Licht getretenen „Glaubenslehre", welche einen ErsaH für
die stets beabsichtigte, aber (und das nicht zufällig) nie fertiggewordene Neli-
gionsphilosophie des nahezu genialen und seine Zeit in glänzender Weise zur
Darstellung bringenden Mannes bietet. Die Fachkritik erkannte die Vortreff-
lichkeit der von der Herausgeberin geleisteten Arbeit einstimmig an — und das
will etwas bedeuten, bedenkt man, welch heikle und undankbare Anfgabe es ist,
eine noch so verständnisvolle Vortragsnachschrift zu einem einigermaßen glatten
Buche auszugestalten, ohne in die ursprüngliche Absicht fremde Rkuancen hinein-
zubringen. — Später Lrat Gertrud von le Fort zum Kakholizismus über.

Ein authentisches Zeugnis dessen, was dieser Schritt ihr bedeutete, bilden ihre

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