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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1930)
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Strauß, Emil: Baptist
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0118

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Baptist

Von Emil Strauß

^W>a, der BapList!" sagte einer, „der könnLe seHL einmal dran."

„NlaLürlich!" riefen wir durcheinander nnd lächelLen, „BapList! SiHL
still wie eine Wanze da und weideL sich an nnserem LebensblnL! — Los! gib
auch eine deiner SchandLaLen zum besten!" und wir lächelLen.

Der LlngeredeLe lag steif wie ein SLock auf seinem SLuhle, seine weiL unLer
den Tifch gestreckLe hagere GestalL ruhLe miL den Fersen auf dem Boden,
miL dem HinLern auf der SLuhlkanLe, miL dem Nacken auf der SLuhllehne,
sein Blick ging in die Krone des Nußbaumes, seine langknochigen Finger
zwirbelLen ab und zu in dem fchwärzlichgrauen KinnbarL. Wie er sich
während des Znhörens manchmal plöHlich aufgerappelL haLLe, um den Er-
zähler miL kindlichem Staunen anzulächeln, ihm einen Schluck seines bernstein-
farbenen Weines znzuLrinken und sich bald wieder in seine Lieblingslage zu-
rückruLfchen zu lassen, so seHLe er sich nun miL einem Ruck aufrechL, zog den
krachenden Stuhl unLer sich an den Tifch, fchob das halbvolle Glas und
das leere Fläfchchen in NeichweiLe von sich und sagLe miL einem stolzen
Lächeln, als ob er sich über die eigene KühnheiL wundere:

„Erst noch!"

Er nahm einen Schluck ans seinem Glas, rief dann der Kellnerin und sagLe,
indem er ihr das Fläfchchen zum Nlachfüllen hinreichLe:

„Da, bringen Sie mir noch ein VierLele! Und dann, Fräulein Marie, Lun
Sie mir den Gefallen nnd bleiben Sie ein wenig weiLer weg: ich muß jeHL
was erzählen, und das dürfen Sie nichL hören."

„Keine Angst, Herr Riedlinger!" lachLe sie, „ich bleib fchon weg. Aber was
Sie erzählen, das darf jedes Kind miL anhören."

Er wurde eLwas roL, fchüLLelLe den Kopf, lächelLe sie an und erwiderLe nickend:
„Das fchon! 2lber — ich fchäm mich halL vor Ihnen!"

„Ia, fo sind Sie!" gab sie zurück, indem sie miL den verfchiedenen leeren
Flafchen abzog.

Er langLe über den Tifch in den Brezelkorb, zerbrach eine, sog ihren Laugen-
dufL und steckLe ein Stück in den Mund.

„'s ist erst noch", sprach er zwifchen dem Kauen, „eine SchandLaL, wie ihr
gesagL habL. — Ich hab's noch nie erzählL; aber ich mag nichL so dasiHen
und mich freihalLen lassen, — als wäre mir nie was passierL. Oh —, ,auch
mich haL einmal eine verehrLst wie's im Shakespeare heißL."

Marie kam zurück und stellLe vor jeden seinen Wein hin; da faßLe Bapkist sie
beim Handgelenk, zog sie zuLraulich näher und sprach:

„Fräulein Marie, Sie dürfen aber jeHL nichL meinen, ich wollLe was von
Ihnen erzählen, — weil ich Sie forLfchicke."

Sie riß die Angen auf, wurde rot vor Eifer und rief:

„Ia, ist denn eine so dumm und so fchlechL, daß sie Ihnen so was zutrauL,
Herr Riedlinger?"

„Nun, — dann ist's ja guL. — Und dann, Fräulein Marie, — wenn's
KuLLeln gäb zum NachLessen, wär ich Liebhaber."

Sie ging.
 
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