Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1930)
DOI Artikel:
Brock, Erich: Kleine Reise nach Frankreich
DOI Artikel:
Mechow, Karl Benno: Kestenbergs Abenteuer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0210

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zu Lrüben, unter den heutigen WirklichkeiLen Frankreichs ehrlich, ja leiden-
schafilich gesuchL, und nichL — oder wenig gefunden zu haben.

Nachschrift. Eben kommL uns ein Druckhefi zu Händen, welcheS, i'n Lausanne erschienen,
von verwandten Gesichtspunkten aus an der heutigen Lebendigkeit Frankreichs eine weit
schneidendere Kritik ubt, als es die unsrige ifi: Lesr^ire «t 8irnoncl, „D'un eertsin 68-
prit kran^sis". P68 bislnsrL Ü6 I^au8snn6.)

Kesienbergs Wenteuer

Von Karl Benno von Mechow

,er Kommandenr selbfi erLeilte Kefienberg seine Weisungen cm Hand einer

^-^KarLe, auf der eine verwirrende Menge von OrLsnamen die Landfchafi
miL ihren Wegen und Bächen verdeckLe. Mehr Namen enLhielL diese KarLe,
als OrLfchafien dieses Land um Wilna — so fchien es.

2lber die N!aLur der Erde war dreihunderLLausendmal verjüngL auf das
Papier geworfen, und darum war diese KarLe so bunL und wirr voll llramen
und undeutlich wie alle ZukunfL.

Kefienberg durfie die KarLe behalten, obwohl es nur wenige KarLen gab beim
RegimenL. Gewiß war die Aufgabe groß und fchwer, eine ArbeiL, kom-
plizierL wie das Leben, miL harL befiimmtem Ende, umgeben von Lansend
Wenn und 2lber.

Er sagte nichLs davon. Sie riLLen ihren Weg, ließen das ziehende Regi-
menL in ihrem Rücken und begannen, sich im Raum zu Lummeln. Die Ko-
saken waren nah, die Dragoner waren in der NmchL von ihnen überfallen
worden, fchon die nächfie halbe Stunde konnte Rkeues bringen!

So dachten sie, während sie hinter Kefienberg riLLen. Bedenklich wiegten sie
den Kopf: der Herr, der uns führL — wir kennen ihn nichL. Wir kennen
ihn nur als ungelenken Anfänger im ReiLen und Leben. SergeanL Hennjes
bildete ihn ans, er war langsam und ungefchickL, er bekam beim Pnhen sein
Pferd niemals blank. Er redete klng wie ein Buch und war als ReiLer kein
Held. Ifi es auch heute noch nichL miL seiner Figur, geboren, am Schreib-
Lifch zn sitzen! Er führL uns — wohin wird er uns führen? — HinLer Plön
riLLen wir lieber, ja, wo ifi Plön!

So reiten sie jeHL, der driLLe Zug, ganz allein unter LeuLnanL Kefienberg, und
vertrauenfchenkend dem Mann, der sie führL. Er haL nichL Glanz noch
Schmiß, aber er haL die Ruhe, das muß man sagen. Er reitet dahin, als sei
es im Liefen Frieden, obgleich es längfi heller Tag wurde und wir Stunden
fchon vom RegimenL entfernL sind nnd von GoLL und den Menfchen nichts
wissen in unserer rand- nnd uferlosen EinsamkeiL! — Er haL große Ruhe
im Herzen, dieser kleine Herr. Pomadig nnd privaL LrabL er da anf seinem
2lpfelfchimmel, den ein kleines Kind reiten könnte, und luLfchL an einer
leeren ZigarrenspiHe aus Weichselholz...

Rkun, also die Ruhe. GuL ifi die Ruhe, sie geht vom HirLen aus und breitet sich
nm die Herde, LeilL sich den ReiLern miL und ziehL vom ReiLer aus in die Pferde ein.
GuL ifi die Ruhe, eine mächLige KrafL, mag auch anderes fehlen...

So riLLen sie ihren Tag, in einfacher Marfchkolonne zu zweien, ohne Spitze
und Sicherung, und es begab sich nichts Böses und nichts GuLes. Bei Dun-

172
 
Annotationen