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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 11 (Augustheft 1931)
DOI Artikel:
Messner, Johannes: Die Idee der sozialen Gerechtigkeit
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Boelitz, Otto: Theaterkrise und Bühnenvolksbund
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0835

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zu findeu sein, das seinen wesenhaften Sinn nicht verfehlen und in seinen
praktischen Auswirkungen nicht zum Hemmschuh des sozialen Fortschrittes
werden darf.

TheaLerkrise und Bühnenvolksbund

Dorbemerkung der Redaktion: Oer Bühnenvolksbund, auf
der Grundlage einer gemeinsamen Arbeit beider christlichen
Konfessionen ertvachsen, steht nun in Gefahr, einen wesentlichen
Teil seiner Kulturarbeit aufzugeben. Oaß aber der Bund,
selbst bei stärkster finanzieller Einschränkung, seine Aktivi-
tät aus kunstlerischem, oolksbildnerischem und theaterpoli-
tischem Gebiet nicht aufzugeben braucht und daß er auch
nur dann, wenn er den Willen und die Krast zur Kultur-
bewegung hat, seinen Bestand rechtfertigen kann, legt im
folgenden der Lorsttzende des BühnenvolköbundeS, StaatS-
minister a. O. Dr. Boelitz, dar, dem wir gerne das Wort geben,
da die Arbeit des Bundes im östentlichen Interesse liegt.

^O^ie zwei großen Lheaterbesucherverbände Deutschlands — der Bühnenvolksbund
^^und die Volksbühne — sind echte Kinder der Theaterkrise unserer Zeit. Sie sind
entstanden und haben sich über das ganze Reich verbreitet, als daö Theater sich nicht
rnehr auS eigener Kraft sein Publikum zu schaffen vermochte, als „das Theater an
sich", ganz ebenso wie die „Kunst an und für sich", fraglvürdig getvorden war und
neue Strömungen, neue Bewegungen im Volk ein ganz bestimmtes geistigeS Veo-
hältnis zur Bühne zu der ersten Voraussetzung des Theaterinteresses überhaupt mach-
ten. So gab den tieferen Anlaß zur Gründung der Theaterbesucherverbände die künst-
lerische Jsolation, kn die sich das Theater hineinmanöveriert hatte, indem es in falschem
Spezialistenstolz den Zusammenhang zwischen Kunst und Weltanschauung, zwischen
Bühne und Volkserlebnis geflissentlich übersah. Auf dem Grund einer solchen Ent-
wicklung, die Hand in Hand mit gleichen Erscheinungen auf fast allen Gebieten des
kulturellen Lebens ging, gediehen die Verbände der Theaterbesucher, die überflüssig,
ja unmöglich gewesen wären, wenn das Theater selbst noch die geistige Herrschaft
über sein Publikum durch die von ihm aus eigener Kraft gebildete Zuschauergemein-
schaft ausgeübt hätte. Ein guteS Stück VerantworMng am Schicksal deS deutschen
Theaters fiel damit den Verbänden und ihrer Leitung zu; denn die neue Mitbeteili-
gung und Miteinschaltung weitester Kreise des Publikums als Träger des TheaterS
geschah ja unter ganz bestimmten weltanschaulichen Voraussetzungen und Zeichen.
Wer in den neuen, Hunderttausende von Theaterbesuchern erfassenden Verbänden
eine große Chance für daS Theater und etwas sehr Positives sah, sprach den Orga-
nisationen die Aufgabe zu, mitzuwirken an der Wiederherstellung eines fruchtbaren
ZusammenhangeS zwischen Theater und Wirklichkeit und damit entscheidend beizu-
Lragen zur künstlerischen Wiedergeburt der Bühne selbst; wer aber im Gegensatz
dazu in den Verbänden eine Organisation von Massen zu außerkünstlerischen und
machtpolitischen Zwecken sah, sprach von kunstfeindlicher weltanschaulicher und poli-
tischer Einseitigkeit und erblickte in den Besucherverbänden und ihrem Anspruch eine
das Theater und die Kunst bedrohende Gefahr. Dabei steht außer Frage, daß der
zweiten, skeptischen Beurteilung der Besucherorganisationen und ihres Wertes nicht
nur das Selbstbewußtsein des Durchschnittsfachmanns, sondern vielfach gerade auch
der bedeutende und echte Künstler zuneigte und daß die Versuchung, die Masse gegen
den Wert und das Schlagwort gegen den Geist ins Treffen zu führen, wie bei jeder
großen Organisation auch bei den Besucherverbänden ihre Nolle spielte und noch
spielt. Aber alles dies kann nicht die Erkenutnis hindern, daß die geistige Selbst-
genügsamkeit des Theaters es war, die die Besucherverbände auf den Plan gerufen

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