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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1931)
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Böhm, Hans: Der Dichter Hermann Burte
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0795

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Der Dichter Hermann Burte
Von Hans Böhm

/>^enau vor 20 Iahren erschien diejenige Dichtung Burtes, die, durch Deh-
^-^mel mit dem KleisLpreis ausgezeichnet, bis heute seine weitaus bekanntesie
geblieben ist: Wiltfeber, der ewige Deutsche*. In Sprache und
Haltung ein Werk aus der Nachsolge des „Zarathnstra" und des Spitteler-
schen Prometheus; doch das Pachos und die hohe Ironie dieser Dichterdenker
kehrt sich hier aus olympischen Höhen gegen die nächste Wirklichkeit des
badischen Musterländles zwischen „Pfalzmünster" (Basel) und „Fürsten-
schlase" (Karlsruhe), mustert Dors und Kirche, Arbeit und Feste, Bolk und
Hochgestellke dieses Gebietes und sieht es für keinen Raub an, manche der
damaligen Größen deutlich abzukonterseien: der Mchthos gleitet streckenweise
in einen Schlüsselroman hinüber. Mehr stören gewisse welkanschauliche l§ng-
heiten, die auf Lagarde, den Rembrandt-Deutschen und Chamberlain deuten
und die Burke später überwand. Der hohe Rang der Dichtung wird durch
sie wenig angetastet, die hier versuchte Kritik am deukschen Wesen ist noch
bestürzend wahr und rückt das Werk, bei allen Borbehalten, in die erlauchte
Reihe von Geist- und Blutzeugen des „Ewigen Deutschen", wie sie seit
Hölderlin gewarnt und geweissagt haben.

Burte selber hat wenige Iahre sgäter sein Iugendwerk meisterlich be-
richtigt: in dem Versdrama Simson (1917) rundet er Wiltfeber in die
von allen Seiten gesehene Gestalt des Gotteshelden, dessen Überkraft ihm
sein angestammtes Bolk verleidet nnd ihn selbst zum unfrei-wilden „Marren
des Ich" entarten läßt, bis er im Leiden den Gott und Sinn seines Lebens
erfährt. Hier wird der romantisch-ästhetische Übermensch des „Wiltfeber"
überwundery die Schicht bloßer Kultur- und Zeitkritik durchstoßen und das
Quellgebiet möglicher Rettung betreten: die religiöse Syhäre.

Beide Dichtungen hängen auch sonst zusammen, durch irrational-persönliche
Züge, die sie der Gefahr bloßen Allegorie-Wesens entrücken. Wiltfeber
steht zwischen zwei Frauen, der naturhaften M adlee, dem schwarzen Land-
mädchen der Markgräfler Heimat, und dem blonden preußischen Edelfräu-
lein llrsula, der Herrin seines höchsten Wollens (erinnernd an die Ideal-
gestalten der Spittelerschen Dichkung); beide kehren im Simson wieder: als
Dirne Dalila, das dunkle Triebwesen, und Michall, der blonde Willens-
mensch; beide sind dem Dichter so sehr als Pole seines eigenen Seins und
seiner Spannnngen erschienen, daß er mit „Madlee" und „Ursula" seine
beiden großen Gedichtsammlungen bekitelt hat. Matur und Geist, Welt und
ldott, „Ich und Es" sind nicht uneben unter diesen Namen befaßt.

Über 200 Gedichte in alemannischer Mundart enthält „Madlee", die schönste
alemannische Lyrik seit Hebel, an den gleichwohl nicht gedacht werden darf.
Denn Burte hat die mundartliche Lyrik aus dem reinen, aber engen Bezirk
bäuerlicher Idyllik hiuausgeführt, hat sie zum ebenbürtigen, ja durch die Ge-
walt natürlichen Ausdrucks überlegenen Werkzeug geschaffen. Es lohnt sich,
um dieses Bandes willen in die Mundart einzudringen (freilich müßte das

' Wie alle Werke des OichterS (außer deri besprochenen noch das schöne Versdrama Apollon
und Kassandra; Katte, GeschichtlicheS Schauspiel, 10.—20. Tausend; Oer letzte Zeuge,
Bühnenstück) bei H. Haessel, Leipzig, erschiencn.

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