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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1930)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Wirtschaftskrise und Krise des Hochkapitalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0179

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XvNSHXKI' XXXXIV.

WirtschafLskrise und Krise des Hochkas)iLalismus

Von Hermann Ullmann

Le wachsende Erkenntms von der NoLwendigkeit einer N'eugesialtung Euro-

^-^pas wird, wie es scheint, vor allem deshalb nichL fruchLbar, weil sie zu-
meist bei den TaLsachen, die der Krieg geschaffen haL, halLmachL. So wie man
die Ursachen der Krise im Kriege selbff und seinen Folgen suchL, findeL man
sich auch bei den Heilungsversnchen durch Krieg und Nachkrieg begrenzL.

Und doch wird es immer deuLlicher, daß man über den unerLräglichen Wider-
spruch zwischen Wollen und Können, der die weiße MenschheiL quälL und ihre
seelische Subffanz bis in jene Tiefen zerfförL, aus denen der Glaube quillL —
daß man über diesen lähmenden Widerspruch überhanpL nichL hinauskommL,
wenn man die ZeiL vor dem Kriege als eine ZeiL des Gelingens und der Glück-
hafLigkeiL ansiehL und nichL begreifL, daß schon der Krieg ein Versuch war,
einem iuneren Versagen und den biLLeren NvLwendigkeiLen der Umkehr und
NeugeffalLung auszuweichen, — wenn man sich nichL klar macht, daß bei Kriegs-
beginn schon die Krise in vollem Gange war, die jeHL erff der Menge sichtbar
wird. Die schögferischen KräfLe der alten europäischen KolonialmächLe began-
nen zu versagen, die MöglichkeiLen und Methoden des europäischen Großkagi-
Lalismus, bereits überffeigerL und bis zur europafeindlichen Paradoxie weiLer-
geführL durch die nordamerikanische EnLwicklung, näherten sich einer Grenze.
Das innere Ilnvermögen, aus sich heraus zn neuen Wegen und MeLhoden zu
gelaugen, suchte eine Ablenkung nach außen, der neue KonkurrenL DeuLschland
miL seiner ebenso lebenskräftigen wie planlosen Expansion war der Anlaß, der
sich zwangsläufig boL. Als man an die endgültige Austeilnng der WelL ging,
die freilich schon Ausgaben ffellte, wie sie miL den alten KolonialmeLhoden nichL
mehr zu lösen waren, fühlte man Widerffände und SchwierigkeiLen, als deren
Ursache man DeuLschland ansah; womiL man sich die Erkenntuis der wirklichen
Ursachen und neuen älufgaben ersparte und die entscheidende Auseinandersehung
mit ihuen hinausschob. Iedes neue Memoirenwerk zeigL deutlicher, wie klar
man die Zeichen der KaLaffrophe vor sich sah und wie ohnmächtig man ihr ent-
gegentrieb. Der Krieg, der selbff ein Ende der Krise schien, verhüllte den Aus-
blick auf sie selbff mr'L Feuer und Blut, und der Nachkrieg mit seinen Friedens-
schlüssen ffand ganz im Zeichen der Zllusion, als sei ein Abschluß erreicht, als
sei die Krise im Sinn der Sieger bewältigt worden. Und mit politischen MiL-
Leln der einseitigen Abrüffung DeuLschlands, der Grenzziehungen, der TribuLe
suchte man jenen Zuffand zu sichern, den man zunächff als Erledigung der Krise
auffaßte. Man haLLe sich den MyLhus von dem alleinschuldigen DeuLschland
als leHLe Krönung der allzu bequemen Vorffellung von der beendeten europäi-
scheu Ümwälzung geschaffen. Denn war DeuLschland der Alleinschuldige, dann

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Oezemberheft igzo (XXXXIV, z)
 
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