Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1931)
DOI Artikel:
Umschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0544

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Umschau

Ein Tlrchitekturmaler
<p^»-^an kommt i'n die Räume der Gale-
krie Flechtheim in Düsseldorf nnd be-
gegnet einem gedämpften Blaudunkel,
anö dem einige Steinfarben hell und
verwaschen heraustreten. Es sind die
Bilder eineS Architekturmalers aus Öster-
reich: Viktor T i s ch l e r. WaS muß man
nicht alles für Kuren durchmachen, wenn
man heute Malausstellungen besucht!
Farbrezepte werden wie Medizin den
Leinwänden eingegeben, und die Maler
freuen sich an einem koloristifchen Pri-
vateffekt, der sie weithin erkennbar
macht. ssseder will der Malerei den
Kanon, den gesunden Grund, wiedsr-
verschaffen, den sie schon lange nicht
mehr hat. Doch was sich ergibt, ist sel-
ten so, daß man mit einem Schlag in
einer Welt steht, die der Malende als
seine Entdeckung ausgeben darf. Zwar
wird im Eifer, sich die Berechtigung
zum Malen einzureden, allerhand ent-
deckt. Aber nun gibt eS doch vorwie-
gend Menschen, die in der dumpfen,
rauchigen Dämmerung einer nur oben-
auf von Eisen, GlaS und Lichtreklame
verklärten Gegenwart leben. Und wer
von diesen kümmert sich darum, ob se-
mand die Muße hat, Jtaiien zu lieben und
seine Bauwerke in originell assortierten
Kompositionen unü neu aufzumalen!
Wer pfeift nicht auf die Originalität
und wünscht sich nicht statt dessen Bil-
der, die aufhören, uns den Trödel der
Vergangenheit zu „entdecken", vielmehr
uns endlich den rationalisierten Trödel
der Gegenwart aufdecken und diese Ent-
deckung optisch kenntlich machen: selbst
durch die dicke blanke Hülle hindurch,
die eine technische Oberflächenregelung
deö Massen-LebenS abzugeben vermag!
Sogar die „schöne Kunst" der Malerei,
die längst das „Häßliche" zu kennen
vorgibt, kann darin etwaS leisten.

Sie tut es nicht, wieder einmal nicht.
Tischler liebt diese Sachen nicht, er hält
öie Malerei im „Idealen". Aber selbst
von da aus könnte sie es durcholicken
lassen. Geht es nicht, so wird dieser
Jdealbereich wohl falsch sein. Stellen
wir also keine Forderungen weiter und
begnügen unS mit den Oualitäten, die

ästhetisch zu beurteilen sind — auch hier
schon beweisen die Bilder, daß sie ohne
Gewicht sind und daß eS unS gar nichts
hilft, wenn der Maler solche Exempel
einer nachgerade verzweifelten Stabili-
sierungSsucht noch so oft vorzeigt. Die
Bilder sind in dünnen lasierenden Farb-
schichten gemalt, wie sie als irreale
Raumtönung bei MareeS und als schlam-
mige Wellenmasse der Staturlosigkeit
oder, wenn das Wort erlaubt ist, der
Entstaltung in den großartigen Bil'dern
KokoschkaS um 1920 herum vorkom
men. Bis auf wenige Bilder sind es
bloße Ansichten architektonischer Winkc!
aus alten Städten; ihre Neuaufstsllung
zu einem Bild wird nur schüchtern ver-
sucht. Vor wenigen Jahren ist Tischlcr
zu diesem Bildthema gekommen. Vorher
hatte seine Arbeit keinerlei Kontakt mit
der Entwicklung der zeitgenössischen Ma-
lerei, nicht einmal mit der von Cezanne
herkommenden. Heute sagt man gern,
daß es ein gutes Zeichen fei, wenu
semand spät zu seiner Form komme.
Nur scheint eS fraglich, ob daS in dem
luftleeren Naum einer ganz konventio-
nellen malerischen ^mpressioniertechnik
noch ein guteS Zeichen ist.

Abgesehen davon: ich habe einen Ver-
dacht gegen die satten Farben von rei-
chem und dunklem Glanz. Denn nichts
andereS ist schließlich auS der langen Un-
entschiedenheit geworden. Da wird auf
daS unbedingt Feste hingearbeitet, rmd
doch liegt mancheS im ersten schnellen
Farbreiz da, sercht und sehr gut geglückt
— soweit der estektvolle Pinselschlag zu
täuschungsfreiem malerischen Glück ver-
hilft. Es wi'rd nicht beständig und hart
weitergemalt, bis der Farbbsstand für
skizzenhafte Wurfwirkungen undurchläs-
sig und von innen heraus fest ist.

Diese Gemälde sind von dem Phänomen
„Architektur" nur schwach befruchtet.
Das heißt: ihr Bildgerüst ist nur selten
selbst „gebaut". Vielmehr ergibt sich eine
sammelnde Bildform, die die Bauten
lediglich bei sich unterbringt. Die Nuhe
dieser Bilder hat nicht die gute Vedeu-
tung einer großen Festigkeit, sondern
nur die einer biliig gesicherten Archi-
tekturvedute. Denn die auS beguemer
Distanz erblickte Ansichtsfront wird uur
 
Annotationen