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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 2 (Novemberheft 1930)
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Strauß, Emil: Am Ruder
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Ullmann, Hermann: Gleichberechtigung im Rüstungswesen!
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0143

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ich nach rechts, glikt unter einem Rettnngsboot durch, auf das ich mich von
der Außenseite hinaufschwang, und nahm, um eine Wache zu haben, einen
Schuh ab: So ein Abfah zieht schon! dachte ich; denn das Hin- nnd Her-
wiegen des Bootes mußte mich ja dem Jdioten verraten. Aber aufatmend
hörte ich, wie er ungebärdig schrie und lallte, bruttelnd hin nnd her suchte
und endlich über die Verbindnngsbrücke nach hinten rannte.

Wie in einer schwingenden Hängematte lag ich auf der geteerten Leinewand,
mit der das Boot Zum Schuh gegen die Witterung überzogen war, rieb mir
die Beule am Hinterkopf und ließ Herz und Lunge sich beruhigen. Dann mußte
ich laut hinauslachen, so hell vergnügt wie nur je nach einem Studenten-
sireich, und dann sah ich wieder die Sterne unaufhörlich nm die Mastsgihe
schwanken und rief: „Ihr habt gut tanzen! Ihr habt gut tanzen! Ihr hört
die Pfeife!" und versank in ein Nachdenken über mein sonderliches Aben-
teuer und sah auf einmal wieder den Kompaß, aber er war riesengroß und
drehte sich, kreischend, wie eine ausgeleierte Windfahne —

Ehe ich in meiner Wiege sanft einschlief, hörte ich es wieder plumg durchs
stille Schiff und über die Laufbrücke stolpern, an das Rnder treten und blöde
lachend schalten. Wer kann es besser? dachte ich müd und schlepgte die
rappelnde Kette noch in meinen Traum hinein.

(Aug „Menschenwege", Erzählungen. Georg Mnller Verlag, München)

GlellhberechLigung im Rüsiungswesen!

Bon Hermann Ullmann

i

ie gesamte Politik Europas in der Welt seit dem Bertragsabschluß von

Bersailles beruht auf einer Voranssehung: auf der Wehrlosig-
keit Dentschlands. Ia noch mehr: auf der Annahme, daß
dieser Zustand andauern werde und daß sich Deutschland,
sowie die übrige W elt mit ihm dauernd abfinde.

Nckan braucht sich nur einen Augenblick vorzustellen, an diese dauernde Wehr-
losigkeit Deutschlands, ja auch nur an den dauernden Verzicht Dentschlands
anfAbwehr würde an irgendeiner Stelle der Welt, sei es in Deutschland selbst,
sei es in Frankreich oder bei einer maßgebenden Gläubigermacht, nicht mehr
geglaubt: im selben Augenblick wäre die ganze anf dem Bertrag von Ber-
sailles aufgebaute „Ordnnng" Europas samt Bölkerbund, Locarno und
Pjoung-Plan erschüttert.

Das Bestreben aller an dieser „Ordnung" interessierten Mächte Enropas
geht also dahin, nicht nnr jenen Zustand der Wehrlosigkeit Dentschlands zu
erhalten, der die Boraussehung für die in Bersailles geschaffene Ordnung
Europas bildet, sondern auch — inner- und außerhalb Deutschlands — die
dogmatische ktberzeugnng, daß Deutschland wehrlos bleibe. Ia noch mehr:
dieses Dogma muß dauernd gestärkt werden. Denn alle Konflikte zwischen
den mit Rüstungsfreiheit versehenen Gläubigerstaaten untereinander werden
zwangsläufig auf Kosten der rüstnngsbeschränkten Schuldnerstaaten ausge-
glichen, solange das irgend möglich ist. Diese Nckechanik innerhalb der euro-
päischen „Ordnung" ist nnentrinnbar.

iiZ
 
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