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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 10 (Juliheft 1931)
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Schenker, Heinrich: Ein verschollener Brief von Mozart und das Geheimnis seines Schaffens: zu Mozarts 175. Geburtstag
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Böhm, Hans: Neue Lyrik, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0760

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Mozartbriefes vergeblich versucht, nun sei er allen Biographen und Herausgebern
der Briefe dringend zur Aufnahme empfohlen, seine Zeit ist endlich gekommen!

Alle Zweifel an der Echtheit des Briefes müfsen der Gewißheit weichen, daß jene
himmlische Botschaft weder gefälscht noch überarbeitet ist, daß sie von keinem an-
deren herrühren kann, als eben nur von Mozart!

Neue Lyrik III*

I.

ielleicht ist es doch angezeigt, einmal in die llnterwelt deS Dilettantismus hinab-
zusteigen, die wir bei unsern Gängen durch die neue Lyrik bisher aemieden
haben. Sie wird ja keineswegs nur von solchen Tröpfen bevölkert, wie fie Keller
in den „Mißbrauchten Liebesbriefen" angeprangert hat: neben diese Kurt vom
Walde, Noderich vom Tale und Gänserich von der Wiese, die der Grimm des ehren-
festen Züricherö als allzu schäbige Tinteriche unterhalb der bürgerlichen Welt angesiedelt
'hatte, neben sie stellen sich immer wieder Leute sozusagen aus der besten Gesellschast,
auS allen vier Fakultäten, aus den höchsten Stellen, so Staat und Wissenschast zu
vergeben haben, Leute, die auf ihrem Gebiet sicher ihreu Mann stehn und verständig
zu reden wissen, die aber wunderlich den Mund verziehen und zu salsettieren be-
ginnen, sowie sie Gesühle dartun wollen; oder, mit einem! andern Bilde: eben
gehen sie noch ehrbar daher wie andre Christen, und plötzlich hüpfen sie auf einem
Bein oder schlagen neckisch mit den Flügeln, indem sie mit alledem ihr Jnnerstes
auszudrücken behaupten. Früher, als man noch Zeit sür den Weltschmerz hatte,
ist solch klnvermögen und Mißverhältnis nicht selten tragisch gesunden worden, und
es gibt wohl Grenzsälle und Zwischenzustände, die Teilnahme verdienen; heutzutage,
wo große Begabungen nicht einmal zu Wort, geschweige zu Namen und Geltung
kommen, weil kein Verleger sie druckt, muß man doch wohl dem Dilettanten kräs-
tiger aus die Finger klopsen. Es ist immer noch so, daß der weitaus größte Teil
der gedruckten Lyrik einfach unnützes Zeug ist und nicht das Papier wert; bedenkt
man aber weiter, daß fast jede dieser Verössentlichungen einem zustimmenden oder
gar bewundernden Kreise entstammt, so hat man Grund, sich über den Grad künst-
lerischer Bildung zu entsetzen. Was nutzt alle Mühe, die strenge Gebärde der echten
Kunst zu erläutern, wenn große Schichten gerade der „Gebildeten" solche Kapriolen
beklatschen? Dielleicht sollte man also die saksche Schonung sür eine Weile auf-
geben und den schlechten Spieler auspseisen, bis er sich wenigstens ins Dunkel des
Privatdrucks zurückzieht. Aus der andern Seite wird es sreilich nötig sein, Wege zu sin-
den, um die wahren Talente rechtzeitig Herauszustellen; Unternehmungen dieser Art ge-
hörten gegenwärtig zu den dringenden Ersordernissen geistiger Planwirtschast.
Heinrich Gerland, Strasrechtslehrer in Iena, verössentlicht als zweiten Gedicht-
band „Lieder und Gesänge aus dem Tagebuch eines sahrenden Sängers" (Allgemeine
VerlagSanstalt, München). Der kundige Leser erschrickt bereits vor dem Titel, der
die verschollene Butzenscheibenlyrik Baumbachs zurückrust: sie schon siebenter Auf-
guß aus Heine und Eichendorss; — den Verfasser schrecken die Spuren nicht:

Aufsorderung
Liebchen, komm und tanz mit mir,

Tausend Blumen bring ich Dir,

Sieh nicht so verdrießlich drein,

Besser ists, vergnügt zu sein.

Mach mir gleich ein sroh Gesicht,

Keine Sonne weint ja nicht,

Und Du weißt, wenn Dn mich küßt,

Daß Du meine Sonne bist.

* Bgl. Juli- und Bovember-Hest 1929

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