Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1930)
DOI Artikel:
Ullmann, Hermann: Wirtschaftskrise und Krise des Hochkapitalismus
DOI Artikel:
Carossa, Hans: Alfred Kubin: Einführungsworte zur Eröffnung der Ausstellung im Graphischen Kabinett Günther Franke, München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0183

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Zeiten des indusiriell produzierenden kolonialen Raubbaus an unerschöpf-
lichen KonsumgebieLen sind vorbei. Das KapiLal muß, will es sich nichL selbsi
durch ArbeiLslosigkeiL zersiören, neue Anlagen miL größerem Risiko und ge-
ringerer Dividende als in VorkriegsverhälLnissen oder als nach Maßsiäben ameri-
kanischer Nachkriegsprosperity suchen. Es muß kolonisieren im weiLesien
Sinne. Das Ende des kolonialen ZeiLalLers isi gekommen, das kolonisaLorische
muß beginnen. Das KayiLal muß sich selbsi neue KonsumgebieLe schaffen;
durch KolonisaLion unbebauLer Erdräume, dnrch innere KolonisaLion falsch
genuHLer Böden im eigenen Lande, durch neue EigenLumsbildung.
Eine paradore Forderung? Vom KapiLal zu erwarLen, daß es seinem innersien
Lebensgesetz, dem Drang, sich zu konzenLrieren, sich zu enLpersönlichen, sich zu
„verabsoluiieren", selbst EinhalL Lued Wenn die Herren des KapiLals es nichi
mehr zu meistern vermögen, dann werden sie von den MächLen, die ihre KrafL
aus dem zersiörLen EigenLum und der ArbeiLslosigkeiL saugen, zum Schaden der
europäischen Kuliur gemeisierL werden. Nmr die Schaffung neuen freien
Eigeniums in neuen Formen kann das EigenLum vor dem asiaLischeu Kollek-
Livismus, die europäischen Staaten vor dem Zerfall reLLen.

Alfred Kubm

EinführungsworLe zur Eröffnung der Aussiellung im Graphischen KabineLL
GünLher Franke, München
Von Hans Carossa

/^^ie werden von mir nichL erwarien, daß ich viel über Kunsi zu Zhnen
^—^spreche, werden nichL LlnsichLen nnd IlrLeile von mir vernehmen wollen
über Phänomene, in welche gewiß mancher von Ihnen Liefere EinsichLen hat
als ich. 9Tur als eine Begrüßung biLLe ich Sie meine paar WorLe anfzu-
nehmen, und auch Lllfred Kubin, der mich als einen seiner älieren Freunde
genügend kennL, wird es guLheißen, wenn ich seinem ausgesiellLen Werk nichL
eine Mhandlung, sondern ein kurzes menschlich-geisiiges BekennLnis widme,
wenn ich vor allem aus der ZeiL uuserer ersien Begegnung einiges erzähle. Ich
wage dies auch deshalb, weil es für Sie vielleicht nichL ohne Reiz isi, zn er-
fahren, wie sich ein in jedem Betrachi ungewöhnlicher Künffler in einem anders-
gearLeien, miLLen in Leben und bürgerlichem Beruf siehenden Laieu gespiegelL hai.
Einundzwanzig Iahre werden es bald, daß wir uns, durch Karl Wolfskehl
veranlaßL, in der alLen HalbinselffadL Passau Lrafen, wo ich damals eine
ziemlich umfangreiche ärzLliche Praris versah. Es war in einem siark besuchien
Kaffeehaus, und Sie werden mir glauben, daß sich Kubins Erscheinung unier
vielen gemüLlich karLenspielenden Bürgern sehr eigen abhob. Berschiedene Ras-
sen, wilde und überzü-chLeLe, wesiliche und ösiliche, mochien znsammengespielL
haben, um diesen Kopf zn bauen und dieses GesichL zu bilden, bieses GesichL
eines vor der ZeiL weise gewordenen Knaben, eines Prjesiers der IlnLerweli,
in dessen Zügen hohe nervöse Spaunungcn miL MüdigkeiLen wechselLen, dieses
GesichL, das eher dem Reich des Moudes als der Sonne anzugehören schien.
Wenige Tage nach diesem sehr flüchiigen ersien Beisammensein besuchLe ich
Kubin auf seinem WohnsiH, dem kleinen Schloß ZwickledL über dem Inn, und
miL DankbarkeiL und Rührung rufe ich mir heuLe jenen FrühlingsLag des
 
Annotationen