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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1931)
DOI Artikel:
Martin, Kurt: Deutsche Dichter als Maler und Zeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0707

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XXXXIV.

Deutsche Dichter als Maler und Zeichner

Von KurL Martrn

as Problem der dichterischen nnd bildkünsilerischen Doppelbegabung

^<^/sorderL eine AnLworL aus die Frage: Warum äußerL sich der GestalLungs-
drang hier in der RichLung auf das Sprachliche, dorL in der Richtung
aus sorm- und sarbbestimmLe BildbasLigkeiL? Dazu bedürsLe es einer Ünter-
suchung, ob die grundsäHliche N'öLigung zu künstlerischem Ausdruck so allge-
mein ist, daß sie erst aus dem Wege der Verwirklichung die eine oder die
andere Richtung einschlägt, oder ob sie von allem 2lnfang an für eine Rich-
tung bestimmt und entschieden ist. Die Tätsache der Doppelbegabung zeigt,
daß beide MöglichkeiLen zutressen. Die psychologische Wurzel der Doppel-
begabung ist deshalb nicht generell, sondern nur individuell zu sinden.

Neben der psychologischen wäre vielleicht auch eine objektive Begründung sestzu-
stellen, die sich aus dem Material ergeben müßke, in dem der künstlerische Äus-
druck erlebt wird: aus der Sprache oder aus den Formmöglichkeiten der bilden-
den Künste, so daß Gestaltung aus der Sprache oder den bildkünstlerischen
Grundtatsachen empfangen wird. Das seHL voraus, daß eine genaue Unter-
scheidung der besonderen und ausschließlichen AusdrucksmöglichkeiLen der ein-
zelnen Künste erkannt wird. Für das Problem der Doppelbegabung ist dabei
bedeutsam, daß versucht wurde, den Ttrsprung der Sprache aus dem Opti-
schen zu erklären und den Anfang der bildenden Kunst als Mitteilungsbedürf-
nis zu deuten. Wenn auch diese Rückführung einseitig und schematisch iß, nicht
anders als die Erklärung des Qrnamentursprunges aus dem Schmuckbedürf-
nis, so zeigt doch die Entstehung der Schrist als eines Bildzeichens, daß in
der bildhasten Darstellung durchaus auch Elemente der Mitteilung im Sinne
der Sprache enthalten sind. Iedenfalls schlägt das Bildzeichen, das zugleich
Zeichen sür ein Wort ist, eine Brücke zwischen den beiden, scheinbar so ver-
schiedenen Gebieten menschlicher uud künstlerischer Äußerung. Es ist deshalb
solgerichtig, wenn wir annehmen, daß in Kulturen, die sich einer Bilder-
schrift bedienen, Doppelbegabungen häusig sein müssen, da der Zusammen-
hang mit beiden Gebieten gleichmäßig gewahrt bleibt. Was sür Ägypten
nicht mehr sestzustellen ist, wird besonders eindrücklich in China, wo die Ber-
einigung von Maler und Dichter geradezu Bildungsideal gewordeu ist.
Da Malen und Dichten nicht nur dem Künstler vorbehalten, sondern 2lus-
druck allgemeiner höherer Bildung war, ergaben sich daraus Forderungen an
das Kunstwerk, die dem 2lbendland unbekannt geblieben sind. 2lus Gruud
der Eigentümlichkeiteu der chinesischen Sprache und Schrist muß ein Ge-
dicht, um überhaupt verständlichen Sinn zu bekommen, gelesen, also ge-

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