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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 9 (Juniheft 1931)
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Penzel, Hans: Die soziale Struktur Chinas in Vergangenheit und Gegenwart
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Trentini, Albert von: Die Gottlosen über Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0687

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Solangc es der chinesislhen Regierung nicht gelingt, durch grundlegende Neuordnung
der sozialen Verhältnisse ihre Position zu festigen, bleibt die Gefahr der Bolschewi-
fierung der chinesischen Revolution weiter bestehen. Noy kann sich in seinem Buche
die Vollendung des Neubaues der chinesischen Revolution „nicht von ekner Klasse
vollzogen denken, die noch in den bestehenden Zusiänden verwnrzelt ist". Er meint,
daß sie vielmehr „nur von einer Klasse vollzogen werden kann, die Erbe ist der revo-
lutionären Traditionen aller großen sozialen Umwälzungen der Vergangenheit, die
bei der vollkommnen Auflösung der gegenwärtigen, aller Reformen spottenden Vev-
hältnisse nichts zu verlieren, aber eine Welt zu gewinnen hat". Verharrt das chine-
sische Burgertum in seiner Verbindung mit den halbfeudalen Mrlitärs und Groß-
grundbesitzern gegen das Bauern-, Handwerker- und Arbeiterproletariat, so droht
ihm, im Kampf um die Macht zerrieben zu werden. Fuhrt es hingegen durch
Schaffung einer nationalen Jndustrie eine fühlbare Belebung des inneren Absatz-
marktes herbei, so kann mit einer milderen und friedlicheren Form der Weiterfüh-
rung der chinesischen Revolution gerechnet werden. Die Neuorientierung Tschiang-
kaitscheks nach „links", wie sie in den allerletzten Wochen im Gange ist, zeigt nur
zu deutlich, wie sehr die Kuomintang der Erweiterung ihrer Basis bedarf und wie
sehr die Fühlung mit dem Volke verlorengegangen war.

Jn welchen Formen sich allgemein die Weiterentwicklung ChinaS vollziehen wird,
hängt in weitestgehendem Maße davon ab, was die Chinesen an die Stelle der durch
Jahrtausende hindurch bewährten Familien- und Sippen-Verfassung mit ihrer
konfuzianischen Jdeologie der koSmischen Verbundenheit von Jndividuum und Staat
zu setzen verstehen werden. Niemand kann das heute auch nur ahnen, weil der ost-
asiatische Mensch noch mitten in dem gewaltigen Ringen zwischen östlichem und
westlicheni Prinzip steht. Hans Penzel

Die GoLLlosen über DeuLschland

er sowjetistische „Bund der kämpfenden Gottlosen" hat seine internationale

Zentralstelle von Moskau nach Berlin verlegt. Eine Reihe deutscher Tages-
blätter hat es vor kurzem der Mühe wert befunden, sich diesen Bund näher anzu-
fehen und das Ergebnis mitzuterlen. Darnach bilde der „Bund der Besboschniki"
(der kämpfenden Gottlosen) eines der Hauptinstrumente der offiziellen sowjetistischen
antireligiösen Propaganda. 192Z gegründet, zählte er 1926 nahezu 120000, 1928
bereits ZOO 000, Ende 1929 rund zwei Millionen Mitglieder. Gegenwärtig ist die
dritte Million überschritten, bis Ende igZZ aber will man 17 Millionen Mitglieder
srreicht haben. Kknder können vom vollendeten achten Lebensjahr an Mitglieder sein:
„Jungpioniere." Mit vollendetem vierzehnten werden sie vollgültige „wirkliche".
Der Grundstock der Organisation ist die „Gottlosenzelle" in der Stadt, rm Dorf,
m einem Werk, in einem Verein. Solcher Zellen —- auch das Heer und die Marine
kennen sie — soll es in der Union heute schon mehr als /jo 000 geben. Die tüchtigsten
Mitglieder der Zellen werden eigens geschult. Die Auslese dieser Schüler wieder
kommt in einen ganzjährigen Sonder-FortbildungSkurs an die Bundeszentrale (bis-
her Moskau). Sie bildet die Kerngarde der Armee von Werbern, die heute schon
über 10 000 Köpfe zählt und sich aller nur denkbaren Mittel der Propaganda
bedient; allein der Museen, in denen alles zusammengstragen und zur Schau gestellt
ist, was Religion schlechchin lächerlich zu machen und das Gefühl für sie zu unter-
höhlen geeignet ist, gibt es heute schon mehr als ZO im russischen Bundesgebiet.
1929 wurden für die Zwecke des Bundes 7,Z Millionen Goldrubel ausgegeben. 19ZO
war die Summe schon eine weit höhere. Woher diese Mittel kommen, erfährt man
nicht; sie sind da, die Mitgliederbeiträge spielen ihnen gegenüber keine Rolle. Vor
zwei Jahren bereits trat die Bewegung mit ähnlich gesinnten Kreisen im Ausland,

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