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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1931)
DOI Artikel:
Martin, Kurt: Hermann Burte als Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0787

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Hermann Burte

Hermann Burte als Maler
Von Kurt MarLin

^ m die MitLagssiunde des Johannestages ging Wiltseber, der ewigs
'^^'Deutsche, den Mattenweg durch den Kirschbaumgewann herab zum
Flnsse; am Wehre saß er nieder und blickte hinein in das stürzende Wasser.

„Wie blauschwarzer Stahl stand es spiegelglatt über der Höhe des Wehrs, dann
lief eine zitternde Kante blitzend von Bord zu Bo-rd und nnter ihr löste sich die
stählerne §lut in blinkendes Silber aus, weißlich, jungsräulich, stürmisch sprang das
Wasser die Stufen hinunter über die glitschigen Bohlen und Flecklinge; es riß runde
Steine und Wacken mit sich hinab und brach sich zornig an den eckigen Blöcken, die
nicht weichen wollten... Jenseits des Flusses hob das Gebirge an; da standen, sich
übergipfelnd, die Pappeln; mildgrüne Weiden spiegelten sich in der ruhigen Flut,
und ihre niederhängenden Äste schienen den Fluß zu peitschen; am Hügel hin schim-
merten die Reben goldiggrün auf grauen Stecken mit gelben Bändern; ein Stein-
bruch glühte goldigbraun aus grünen RTattenhängen hervor; blauer Wald säumte
den Hügelrücken, ein weißes Sträßlein kam vom Tale auf den ckiesbeschotterteu
Damm, ging über die alte, eichene Brücke mit ihren Eisbrechern und kräftig gefügten
Fochen hinan den Rebberg, durch die Obstgärten nnd das Mattenland und die
Weizenäcker, bis es sich im Wald verlor und erst am Hange des Gatterbachtales wie-
der seinen staubigen Rücken den Strahlen der Sonne darbot."

Wiltfeber entstand aus dem 2lnlaß eines Preisansschreibens für einen volks-
tümlichen Roman. Der Versasser war jnng; die dichterische Äußernng, die
entscheidend werden sollte, brach znm erstenmal stark und unmittelbar durch.
Rkietzsches Welt und Sprache wirkten, sie wurden ausgenommen, wurden
bodenständig, als seien sie Äusdruck einer Landschast, einer Heimat. Diese
südwestdeutsche Heimat, ihre Scholle, ihr Geist klingen fühlbar durch alle
Dichtung Burtes HLndurch, uicht anders als das Volkslied bei Eichendorsf
oder Mörike und das Volksstück im Faust. Aus dem Bodenständigen ge-
winnt die Sprache neue, ursprüngliche Formen, lebendigen, kräftigen 2ln-
schluß: die Mundart wird zur Quelle der Schriftart. Die Mundart wird
eigen gestaltet in dem Gedichtband „Madlee", der vollsten alemannischen
Dialektdichtung seit Hebel. Das Wort bleibt nicht nur beschreibend, es
sammelt sich zur gesprochenen Form, zur Zwiesprache: Dramen entstehen:
Katte, Herzog Uh, Simson, 2lpollon und Kassandra.

Schon im Wiltfeber sällt die Formkrast und der farbige Reichtum der
Sprache auf. Die Landschaft im Gatterbachtal ist so geschildert, daß die
Zusammenhänge der Formen und Farben deutlich werden, daß Sonne die

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