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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1931)
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Burckhardt, Jakob: Briefe Jacob Burckhardts an seinen Schüler Albert Brenner
DOI Artikel:
Messner, Johannes: Die Idee der sozialen Gerechtigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0828

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daß es ungelesen und unaufgeführt bleibt. Ich kann beweisen, was ich sage.
— Gegen Llufzeichnnng von Stoffen habe ich nichts. Sie können einmal
z. B. einem Freund einen Gefallen damit Lun.

Nvvellen und RomanparLien — ja! aber sie müssen inLeressanL sein. Der guLe
VorsaH, wirkliche, lebendige Charaktere zu fchildern, genügL nichL; die Charak-
Lere müssen sich als das, was sie sind, durch ihre Handlungen answeisen. Der
CharakLer muß sich an dem Hergang zeigen. Dies gilL hier wie beim Drama.
Ich glaube, was von solchen SLoffen jeHL fchon im Bereich Ihrer Er-
fahrung, CombinaLion und GeftalLnngskrafL liegL, das geben Sie am beften
lyrifch, z. B. in Elegien. Ich möchte sehr gern eine 2lnzahl von jenen SiLua-
Lionen kennen, welche Sie aufnoLierL haben. Es kann höchft GeeigneLes dar-
unLer sein. Wo sind Sie auch mit jenen Liebesliedern hingeraLen, die Sie einft
in einem Zug fchrieben? Haben Sie mir in Basel welche davon gezeigt?

MiL denen, die Sie mir jeHL miLLeilen, wollen wir nun ins GerichL gehen...
fHier folgt die KriLik von achL GedichLen.^

Im ganzen bin ich miL Ihnen unzufrieden. Sie fchmeißen die Sachen noch
immer so hin und lassen sie liegen, wie es kommL. MiL Ausnahme des
jugendlichen GoeLhe aber haL keiner ungeftrafL gefchmissen. Er durfLe es,
krafL seiner höchft außerordentlichen PersönlichkeiL. Es läßL sich ein größerer
DichLer als Er denken, der es doch nichL gedurfL häLLe.

Auf Ihr Märchen wäre ich begierig. Ich bitLe aber nur um Eins: nicht
anzufangen, bis der Plan im Ganzen feftfteht. Sonft gehen Sie wieder im
Himmel, auf Erden und unter den Wassern sgazieren nnd wissen das Schlüs-
selloch nicht mehr zu finden.

Nmn herzliches Lebewohl von Ihrem ftets Leilnehmenden nnd geLreuen

I. BnrckhardL

Nachschrift der Schriftleitung: Oie vorliegenden Briefe Burckhardts wurden zuerst
im Basler Jahrbuch igoi, zuletzt im Verlag Benno Schwabe fnunmehr vergriffen) veröffent-
licht. — Älbert Brenner ist l8z5 in Bafel geboren und starb 1861 in Zürich, als Lehrer an
der dortigen Jndustrieschule. Außer Gedichten stammt von ihm eine Sammlung „Baslerische
Kinder- und Volksreime".

DLe Jdee der sozialen GerechLigkeit

Bon Iohannes Meßner-Wien

enn man die erfte KonzepLion der Idee einer „sozialen" GerechLig-

^-^-^keiL in der GeiftesgefchichLe aufsuchen wollLe, dürfLe man bis zum
Beginn des 19. IahrhunderLs zurückgehen müssen, also in die ZeiL, da die
SozialkriLik zu den erften kräftigen Schlägen gegen den wirtfchaftlichen
Liberalismus und seine sozialen Folgeerfcheinungen ansholte. Dabei ift nicht
uninLeressanL, daß dieser erfte Vorgriff auf die Idee der sozialen Gerech-
LigkeiL von dem Denker ftammt, der selbft mit dem Sozialismus, in den die
damalige Sozialkritik faft reftlos einmündete, durchaus nichts zu Lnn haben
wollte, sondern der Begründer des Anarchismus, des sozialen Syftems dev
absoluten FreiheiL ift. Wir meinen P. I. Proudhon. Nicht minder inter-
essanL ift aber, daß bei ihm die Idee der sozialen GerechLigkeiL fchon dnrch
jene UnbeftimmLheiL gekennzeichnet ift, in der sie bis heute in der
sozialiftifchen Bewegung, die in jener ZeiL ihre ideelle Grundlegung erhielL,

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