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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 2 (Novemberheft 1930)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0157

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sich; immer nur Atempausen, keine wi'rkliche Rast und Nuhe. 2luS dem klumpen-
haft gebündelten, sackartigen Körper ragt das Haupt wie abgeschnurt. Die dunnen,
wirren Strähnen gleichen geronuenen Blutbächen; das blasse, verhärmte Gesicht
ist voll edler Duldung. Jm geheimen aber grübelt in der Frau daö Warum und
Wohin; ihr Schlaf verrät es, wie sie es nicht fassen kanu uud darüber erliegt —
mehr der Seele als dem Leibe nach. Opfersein und Opfergebuug werden hier eins.
Ein stilleS Mitleiden greift unö ans Herz; kein Anruf ist es, noch weniger eine
Anklage, nur zutiefst erfühlte Schau menschlicher Not.

Selbstbildnis 1924. Lithographie. 2z:Z2 eru. Es gibt von Käthe Kollwitz
eine große Zahl von Selbstbildnissen. Nicht aus Eitelkeit entstanden, vielmehr
Zeugnisse grüblerischer Selbstbeobachtung und der Auseinandersetzung mit dem
eigenen Jch- Dieses gegenwärtige ist ein späteS Bild und eines der gehaltvollsten,
im Formalen und Geistigen. Mit seiner maskenhaften Stilisierung reicht es über
das Individuelle hinaus, wird eS ein Sinnbild nordischer Herbheit und leidvoller
Größe, mit Zügen des Sibyllinischen, der weisen Frau. Der Kopf hat durch die
breiten, weichen und doch bestimmten Flächen, aus denen er aufgebaut ist, durch
straffen Umriß und energische Linie an den entscheidenden Stellen des inneren Ge-
füges ein klares Gepräge; die Dreiviertelwendung erhöht seine plastische Wirkung.
Güte und Entschlossenheit, Leid und kraftvolle Bereitschaft mischen sich in diesem
Gesicht zu ergreifender Eigenart. Die tiefen, treuen Augen, die so kritisch schauen,
wissen um viel Schmerz. Das Leben gab dem vollen Mund scharfe Ränder und
Verschlossenheit, einen strengen Zug, unter dem wir aber trotzdem die Milde spüren.
Ein großes Vertrauen überkommt uns vor solch wissender Liebe und Stärke; das
knappe Kinn, die enkschiedene Nase und großwölbige Stirn haben etwas von
felsenfester Zuverlässigkeit. Über allem waltet die Stille der (gnnerlichen.

Das Selbstbildnis von 1669 (Sepia- und Federzeichnung) läßt schon in
der 22jährigen das selbstsichere, energische Wesen erkennen, aber auch ihre Güte
und Treue.

Für die Genehmigung zur Veröffentlichung haben wir zu danken: Herrn Dr. Ernst
Rathenau, Berlin, in dessen Besitz sich die Zeichnung „Schlafendes Kind" befindet,
dem Rembrandt-Verlag in Berlin-Zehlendorf für das „Selbstbildnis von 192^"
(Käthe Kollwitz-Buch), und dem Leipziger Kunstverein, der „Jm städtischen Ob-
dach" als Jahresgabe 192^/26 erscheinen ließ.

-t-

Unsere Gläser sollen zeigen, wie auch einfachste Formen sich als Schmuck-
träger eignen und wie dieser Schmuck dem GlaS einen neuen Wert schafft. blnsere
Beispiele sind außerdem so gewählt, daß sie die Anregung für vielerlei Varianten
geben und den einigermaßen Phantasiebegabten locken, ähnliches zu versuchen.
Ein Blütenzweig, ein paar Blätter können durch den Wechsel in Größe, Form,
Struktur, Farbe, Anordnung dem schlichtesten Gefäß einen fast poetischen Zauber
verleihen. Es bedarf nicht immer kostbarer Treibhausgebilde oder sonstwie luxuriöser
Pflanzen, um diese Welt zur Augenweide, Stimmung und Nachdenklichkeit werden
zu lassen, wie auch nicht kostbare Behälter notwendig sind, um eine dekorative
Wirkung zu erzielen. Nur Bruchstücke der Natur sind hier mit fertigem Menschen-
werk geeint, und doch haben sie in sich und durch die Art ihrer Verbindung so viel
Zauber, so viel sinnliche und sinnige Anregungskraft. I. Pp.

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