DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1931)
DOI Artikel:Jostock, Paul: Untergang des Kapitalismus?
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0725
NnLergang deö KaglLalismus?
Von Paul Iosiock
ichL nur in der Beweriung des KapiLalismus, sondern auch in der Be-
^ ^ urkeilung seiner Lebenskraft scheiden sich die Geisier. Das millionen-
sache Todesurteil, das dieser WirLschasis- und Gesellschasisordnung bei jeder
großen poliiischen Wahl ausgesprochen wird, beruhi gewiß in ersier Linie
aus einer willensmäßigen Berneinung. Doch kann aus dem Anwachsen und
dem BerhalLen der Gegnerschasi wohl geschlossen werden, daß auch Skepsis
in bezug aus die LebenssähigkeiL des Sysiems eine Rolle syielL. Die gegen-
wärLige FlnL des Pessimismus dars sreilich nichL Zn Überschähungen in dieser
RichLung verleiLen. Sie sindeL in dem schweren und langwierigen Krisenver-
laus ihre Erklärung. Wird doch von kundigen BeobachLern sogar berichLeL,
daß man selbsi in Amerika an dem Sysiem zu zweiseln beginne, seiidem der
Siurm so viel Hofsnungen zerbrach und Lrübe Schleier sich wie Herbch
nebel über dem Glanz ehemaliger ProsyeriLäL ausbreiLen. Diese SLimmung
dürsLe zwar bei den meisien rasch verslogen sein, wenn die guLe KonjunkLur
zurückkehrL. Sie wird aber, namenLlich in Europa, nichL ganz versliegen, weil
sie nichL nur SLimnumg isi, die dem Gesühl enLguillL, sondern auch Überzeu-
gung, die aus wissenschasLlichen Theorien ihre ückahrnng saugL.
Es handeÜ sich dabei keineswegs bloß um marxisiische Llussassungen. So wie
es vor Nckarx nichi an Sozialkrr'Likern sehlLe, die in kühnen KonsirukLionen eine
neue Gesellschasissorm enLwarsen und leidenschafLlich sorderLen, so wnrden
nach ihm immer wieder UnLergangsLheorien auch ans anderen als marxisii-
schen Boraussetzungen heraus eniwickelL. Mochie schließlich die Wesensbe-
siimmung des KapiLalismus mehr und mehr unLer dem siarken Einsluß der
Marrschen Lehre siehen, die sysiemzersetzende KrasL sahen einzelne Denker in
ganz anderen Borgängen als Marx. Dars man hieraus bereiLs den Schluß
ziehen, daß das Sysiem von mehreren schwachen Seiien zugleich bedrohL isi?
Daß also in ähnlicher Weise, wie die Reihe der einseiiigen EnLsiehungsLheo-
rien des KapiLalismus sür eine MelheiL von miLwirkenden Ursachen syrichL,
auch die bunLe EschaLologie aus eine Mehrzahl von Todeskeimen hinweisi?
Die Klärung dieser Frage isi am zweckmäßigsien durch eine kriLische Be-
LrachLung der wichLigsien UnLergangsLheorien zu gewinnen. Zugleich wird
sich daraus ersehen lassen, ob der ForLbesiand des Sysiems überhauyi, sei
es jetzL oder in kommender ZeiL, ernsihasL gesährdeL erscheinL.
Schon in jungen Tagen wurde dem KayiLalismus neben den verheißungs-
vollen Hymnen der klassischen Schule auch manch düsieres Lied gesungen.
Die einen begegneien ihm voll leidenschasLlicher BiLLerkeiL, weil sein Wach-
sen miL dem Zersall alLer Ordnungen einherging und die WelL in neue, ihnen
unerwünschLe Formen goß. So vor allem der konservaLive Adel nnd Klerns.
Llnderen gingen seine ZTeuerungen nichL weiL genug, sie beklagLen die Halb-
heiL, die Berwässerung, die Anyassung an überkommene SozialverhälLnisse.
MiL dem AlLen sei vollsländig auszuräumen, damiL endlich das ZeiLalLer der
FreiheiL beginne. Dies die Syrache raLionalisiischer Ansklärungs- und ForL-
schriLLsyhilosoyhie. Beide RichLungen wußLen Kämpfer zu finden, die der
kayiLalisiischen WirLschasL llnheil nnd Berderben voraussagLen.
637
Von Paul Iosiock
ichL nur in der Beweriung des KapiLalismus, sondern auch in der Be-
^ ^ urkeilung seiner Lebenskraft scheiden sich die Geisier. Das millionen-
sache Todesurteil, das dieser WirLschasis- und Gesellschasisordnung bei jeder
großen poliiischen Wahl ausgesprochen wird, beruhi gewiß in ersier Linie
aus einer willensmäßigen Berneinung. Doch kann aus dem Anwachsen und
dem BerhalLen der Gegnerschasi wohl geschlossen werden, daß auch Skepsis
in bezug aus die LebenssähigkeiL des Sysiems eine Rolle syielL. Die gegen-
wärLige FlnL des Pessimismus dars sreilich nichL Zn Überschähungen in dieser
RichLung verleiLen. Sie sindeL in dem schweren und langwierigen Krisenver-
laus ihre Erklärung. Wird doch von kundigen BeobachLern sogar berichLeL,
daß man selbsi in Amerika an dem Sysiem zu zweiseln beginne, seiidem der
Siurm so viel Hofsnungen zerbrach und Lrübe Schleier sich wie Herbch
nebel über dem Glanz ehemaliger ProsyeriLäL ausbreiLen. Diese SLimmung
dürsLe zwar bei den meisien rasch verslogen sein, wenn die guLe KonjunkLur
zurückkehrL. Sie wird aber, namenLlich in Europa, nichL ganz versliegen, weil
sie nichL nur SLimnumg isi, die dem Gesühl enLguillL, sondern auch Überzeu-
gung, die aus wissenschasLlichen Theorien ihre ückahrnng saugL.
Es handeÜ sich dabei keineswegs bloß um marxisiische Llussassungen. So wie
es vor Nckarx nichi an Sozialkrr'Likern sehlLe, die in kühnen KonsirukLionen eine
neue Gesellschasissorm enLwarsen und leidenschafLlich sorderLen, so wnrden
nach ihm immer wieder UnLergangsLheorien auch ans anderen als marxisii-
schen Boraussetzungen heraus eniwickelL. Mochie schließlich die Wesensbe-
siimmung des KapiLalismus mehr und mehr unLer dem siarken Einsluß der
Marrschen Lehre siehen, die sysiemzersetzende KrasL sahen einzelne Denker in
ganz anderen Borgängen als Marx. Dars man hieraus bereiLs den Schluß
ziehen, daß das Sysiem von mehreren schwachen Seiien zugleich bedrohL isi?
Daß also in ähnlicher Weise, wie die Reihe der einseiiigen EnLsiehungsLheo-
rien des KapiLalismus sür eine MelheiL von miLwirkenden Ursachen syrichL,
auch die bunLe EschaLologie aus eine Mehrzahl von Todeskeimen hinweisi?
Die Klärung dieser Frage isi am zweckmäßigsien durch eine kriLische Be-
LrachLung der wichLigsien UnLergangsLheorien zu gewinnen. Zugleich wird
sich daraus ersehen lassen, ob der ForLbesiand des Sysiems überhauyi, sei
es jetzL oder in kommender ZeiL, ernsihasL gesährdeL erscheinL.
Schon in jungen Tagen wurde dem KayiLalismus neben den verheißungs-
vollen Hymnen der klassischen Schule auch manch düsieres Lied gesungen.
Die einen begegneien ihm voll leidenschasLlicher BiLLerkeiL, weil sein Wach-
sen miL dem Zersall alLer Ordnungen einherging und die WelL in neue, ihnen
unerwünschLe Formen goß. So vor allem der konservaLive Adel nnd Klerns.
Llnderen gingen seine ZTeuerungen nichL weiL genug, sie beklagLen die Halb-
heiL, die Berwässerung, die Anyassung an überkommene SozialverhälLnisse.
MiL dem AlLen sei vollsländig auszuräumen, damiL endlich das ZeiLalLer der
FreiheiL beginne. Dies die Syrache raLionalisiischer Ansklärungs- und ForL-
schriLLsyhilosoyhie. Beide RichLungen wußLen Kämpfer zu finden, die der
kayiLalisiischen WirLschasL llnheil nnd Berderben voraussagLen.
637