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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 5 (Februarheft 1931)
DOI Artikel:
Green, Julius: Überfahrt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0367

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ÜberfcchrL

Von Iulien Green

Oeutsch von Jrene Kafka

/(X^eiL fünfMinuten wartete er auf demKai, vor der „Bonne Esperance".
^—^deren riesenhafLes VorderLeil ihn die Flußmündung nichL sehen ließ.
Nings um ihn spielLen Gassenjungen zwischen Kohlenhaufen. Ihr Lachen
und Schreien drang bis zu ihm. Er aber schien nichLs zu sehen und hielL den
Kopf gesenkL. Er war groß und Lrug einen abgenüHLen TuchmanLel miL
mächLigen Taschen, in die er die Hände vergrub. Die Krempe seines HuLes
hing über seine Augen und verdeckLe sein GesichL. Reglos ßand er. Zu
seinen Füßen lag ein großer Koffer.

Als er geholL wurde, nahm er selbß sein Gepäck, dessen GewichL seine Fäuße
ziLLern machLe. Er folgLe seinem Führer über die enge Schisssbrücke an
Deck. Dann wurde er in seine Kabine gebrachL.

Als er allein war, schloß er die Fensterluke und verriegelLe sie. Zog dann
den leichLen Mullvorhang nieder und legLe den HuL ab. Er war ein Mann
von eLwa vierzig Iahren, und sein Lrauriges AnLliH Lrug regelmäßige, salLen-
lose Züge. Doch seine mißLrauischen, muLlosen Augen ließen seine Iahre er-
raLen und auch jenes ELwas in der Färbung der HauL, das nichLs mehr von
Iugend kündeL. Er siellLe den Kosser aus seine PriLsche. Dann össneLe er ihn
und enLnahm ihm seine HabseligkeiLen. Seine Gebärden deuLeLen darauf hin,
daß er euLschlossen sei, keine einzige Sekunde müßig zu bleiben. Ilnd daß er
durch mechanische manuelle ArbeiL seinen Gedanken enLrinnen wolle. Gegen
Abend kam, vom KapiLän enLsandL, ein MaLrose, um ihn zu fragen, ob er
das Abendessen im Speiseraum nehmen werde. Er anLworLeLe nichL gleich
und wollLe vorerst wissen, um welche SLunde die „Bonne Esperance" die
Anker lichLen werde. In dieser llcachL noch, um 11 llhr, war die AnLworL.
„Gut," enLgegnete er, „dann werde ich nichL essen."
llnd er ging nichL aus seiner Kabine.

Arn nächsten Morgen ließ KapiLän Suger ihn zu sich biLLen.

Dem KapiLän eignete AusrichtigkeiL, die osL an llnverschämLheiL grenzte.
Ohne llmschweise sagke er:

„Sie wissen, daß ich fast niemals Passagiere an Bord nehme. Gewiß, die
Dicustordnung berechLigL mich dazu, doch mein Schiss ist in erster Linie ein
FrachLdampfer. MiL Ihnen wird eine Ausnahme gemachL."

Er hielL inne, als wolle er dem einzigen Passagier der „Bonne Esperauce"
Zeit geben, DankesworLe hervorzubringen. Der Nlann aber dankLe nichL. Der
KapiLän seukLe die Hände in die Taschen und mühLe sich, auf den Fußspitzen
im GleichgewichL zu bleiben. Er sah ein wenig spöLLisch drein.

„Ich werde genöLigL sein, Ihre DokumenLe zu verlangen," sagte er endlich.
„Falls das üblich ist, will ich sie Ihnen zeigen," sagte sanfL der Passagier.

„Hier ist alles üblich, was ich ich will," erwiderte im gleichen Ton der KapiLän.

In der nun solgenden SLille klemmLe der Mann den Zwicker aus die Nkase.

Dann durchsnchLe er die InnenLasche seines Rockes und entnahm ihr den
Reisepaß, den er enLfalLeLe. Der Kapitän uahm das DokumenL und prüsLe es
miL allergrößLer AufmerksamkeiL. Er haLLe ein breites GesichL, in welches

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