Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1930)
DOI Artikel:
Alverdes, Paul: Maria Luise Weißmann
DOI Artikel:
Gedichte von Maria Luise Weißmann
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0035

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
keit der Menschenperson in die Gesellschaft des sprießenden Grases und der
wehenden Winde unker mancherlei GesialL und Maske besnngen. So liesi
sich heuLe, nach der Vollendung ihres Geschicks, mancher Vers und manches
GedichL wie ein Abschied und Abgesang; manches auch, unLer den jüngsien,
iß wie ein letzkes InnehalLen und Beschwören. Es konnLe aber wohl nichL
anders sein, als daß ihre zarLe LeiblichkeiL dem Liefen Verlangen ihrer Seele
nachgab. Ich sage damiL vielleichL Unbeweisbares, aber wohl nichLs Anmaßen-
des, da ich von einer DichLerin zu sgrechen haLLe.

GedichLe

Von MariaLuiseWeißmann

S>fL aus den tiefen Schächten der Nacht
d^WSteigst Du empor: Dir trieft
Dunkel Schweigenö Gewässer
Aus dem verworrenen Haar.

Oft vor der Röte des Morgens
Steht das Gebirg, Deine Stirn,
Schweifender Hang der Wange um
Deines MundeS vereisten Grat.

Abends dämmert Dein Schatten ost
Tief auö dem Spiegel deö Sees,
Blicklosen Blickeö hebt
Sich Dein goldenes Auge auf.

Allein im Mittag seh ich Dich
Beweglich, flüchtigen Fußes
Ziehn wie die Zeit. Du fchüttelst
Lächelnd Hände und Haupt.

Abend im Frühherbst

Weit ausgegossen liegt daS breite Land.

Der Himmel taucht den Scheitel noch inö Licht,
Doch seitlich hebt gelassen eine Hand
Die dunkle Maske Nacht ihm inS Gesicht.

Diel fette Lämmer weiden auf der Flur,
lgn Gärten steht daS Kraut in seiner Ftüle,
Herbstwälder ziehn als eine goldne Spur,

Am Baum die Frucht glänzt prall in ihrer Hülle.

Ss ist der letzte dieser kurzen Tage:

All Dmg steht reif und rund und unbewegt
Schwebend in sich gebannt wie eine Waage,

Die Tod und Leben gleichgewichtig trägt.

15
 
Annotationen