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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 5 (Februarheft 1931)
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Rang, Bernhard: Neue französische Romane
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0390

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dem wir bereits eme schöne Romanstndw über die hl. Johanna (noch nicht ins
Deutsche übersetzt) verdanken, hat mit seinem Roman „Don Juan" (Hegner, Hel-
lerau) gleichfalls ans christ-katholischem Geiste heraus Spanien, das mystisch glühende
Spanien beschworen. So kühn und interessant der Versuch ist, die Don Juan-Ge-
stalt inS positio Christliche, gleichsam als katholischen Heiligen um- und auszudeuten,
so schön einzelne Partien, z. B. die wunderbar farbige Darstellung der Kindheit,
so fesselnd und mitreißend das Ganze, so erschemt mir doch der gesamte Versuch
mißglückt. Jch erinnere dabei an die wichtigen Gedanken und Äußerungen Kierke-
gaards zum Don Iuan-Problem. Kierkegaard zeigt am Beispiel der Mozartschen
Oper, wie unmöglich diese legendäre Gestalt vom Epischen her faßbar und darstell-
bar ist und wie ihr innerster dämonischer Grundzug sich nicht ohne Gewaltsamkeit
christlich interpretieren läßt.

Die äußerste Steigerung dsr bis jeHt besprochenen französischen Schriftsteller ist
der vor kurzem erst hervorgetretene und mit einem Schlage berühmt gewordene
Georges Bernanos, dessen zwei (eigentlich drei) Romane der verdienstvolle Ver-
leger Jakob Hegner, Hellerau, in deutscher Übersetzung hat erscheinen lassen. Es
sind die beiden Rornane „Die Sonne Satans" und „Der Abtrünnige". Die Be-
deutsamkeit dieser beiden Bücher, die Problematik ihrer Jdeen- und Gedankenfracht
— die Gedanken- und Erlebniswelt des Christlichen, deS Sündigen wie des Heiligen,
deS Gläubigen wie deS Abtrünnigen —, die Kraft der Sprache und Darstellung
sind so außerordentlich und daS Gewohnte weit übersteigend, daß zur wirklichen
und vollen AuSeinandersetzung mit diesen schweren, vielleicht zu schweren, ja fast
niederdrückenden und zermalmenden Büchern mehr als daS übliche Verständnis ge-
hört. Jn der „Sonne Satans", die uns alle, ob Heilige oder Unheilige, Gerechte
oder Ungerechte mit ihrem blendenden und verblendenden Scheine überstrahlt, deckt
BernanoS schonungslos und unerbittlich den wirklichen Ernst der Sünde auf und
enthüllt damit zugleich das Wesen der Herligen, die er nicht m sentimentaler Gold-
verbrämung und Verklärung, sondern m der Furchtbarkeit und erschreckenden Härte
und Schkcksalsgröße wirklicher Gotteskärnpfer sieht, die wis Hiob von Gott gestraft
unerkannt in ihren Leiden und Wunden aufrecht vor unS durchs Leben gehen müssen.
Jm Zweifel aber, der zur Verzweiflung und zur eisigen Verlorenheit den „Abtrünni-
gen", einen geweihten und hochgeachteten Priester, führt, ist die Macht der Ver-
suchung, die Macht Satans auf eine vielleicht noch erschreckendere Weise von Ber
nanos dargestellt. Es muß einer besonderen Untersuchung vorbehalten blerben, die
hier vor uns gestellten Fragen, Forderungen und Gedanken in ihrer ganzen Proble-
matik und Bedenklichkeit, die sie auch erwecken, tiefer auSzudeuten und klarzulegen.
Gewiß ist aber, daß erst hier, mit diesen aus dem letzten Ernst des ChristentumS ge-
borenen Büchern, trotz aller Gefahr, die ihnen anhaftet, über daS bloß Unterhal-
tende einer Literatur endlich wieder in ein Unbedingtes vorgestoßen wird, von dein
man, positiv oder negativ gleichviel, im Jnnersten angestoßen und aufgerufen wird.

Bernhard Rang

Umschau

Erinnerung an Ferdinand Gregori

o kostbar die Zeit auch ist, nehmt
„ euch Zeit!" und: „Jnbrünstig wie
zum Gebet an die Kunst herantreten, die
ein Abschein des Göttlichen ist": nicht erst
heute ist der Mann, der so sprach und
so lebte, „unzeitgemäß". Ferdinand Gre-

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gori tvar es schon mindestens ein Jahr-
zehnt vor seinem Tode, der, nicht zuletzt
gerade deshalb, so vielen sinnlos verfrüht
erschien, so viele verarmte, so viele dem
HerauSgeber seines Nachlasses zustimmen
läßt, wenn er das Leben dieseS beispiel-
haften deutschen Künstlermenschen „urr-
ersetzlich" nennt.
 
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