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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 3 (Dezemberheft 1930)
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Zu Alfred Kubnis Bildern
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0222

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Zu Mfred Kubins Bildern

verweisen die Leser anf die ausgezeichnete Kubin-Charakteristik von Eßwem
'^^^und unsere eigenen Bemerkungon zu Blättern des KünstlerS (Kwt. Jg.XLIII,
Heft l.)

Wenn wir schon wieder einiges vorlegen, so hat dies zunächst einen äußeren Grund:
das Munchener „G r a p h i s ch e K a b i n e t L", das unter der rührigen und viel-
fach interessierten Leitung von G. Franke unsere beweglichste Kunsthandlung gewor-
den, hat eine große Kubinausstellung unternommen und der Dichter Carossa —
unserem Kreise auch ein vertrauter Name — aus diesem Anlaß über den befreun-
deten Zeichner so fein gesprochen, daß wir glaubten, diesen Kubin-Beitrag bringen und
illustrieren zu müssen. Außerdem aber ist gerade dieser Künstler und seine Kunst,
die Zeichnungskunst, etwas so Urdeutsches, ist dieser Künstler ein so großer, daß
man immer wieder auf ihn zurückkommen darf. Wir bieten diesmal auch einige
Lithographien und möchten zugleich auf deren billigen Preis hinweisen; selbst im
Kunsthandel kostet ein Blatt wie „Der Tod und der Tischler" nur zo Mark.

Die Riesenspinne. Aquarellierte Federzeichnung. Wer kennt nicht das Kinder-
grauen vor der Kreuzspinne? Man freut sich im Versteckspiel an den Heimlichkeiten
des halbdunklen Speichers, da schießt aus der Dämmerung eines verstaubten Win-
kels plötzlich der kugelige Leib einer fetten Kreuzspinne, quappelnd auf schnellen,
zangenhaften Füßen, und erzeugt mit dem Schrecken der Überraschung daS Gefühl
des Unheimlichen. Packt den Erwachsenen vor der Kreuzspinne auch mehr der Ekel als
die Angst, so stehen doch manchmal auch seine Nerven unter der Erinnerung solcher
(gugenderlebm'sse; dem Künstler aber erwächst aus seiner Empfindsamkeit unö Phan-
tasie ein derartiges Miniaturbisst bis zur Niesenerscheinung mit dämonischen Zügen.
So ist Kubin wohl dies neuartige, grinsende Medusenhaupt erstanden, das wie ein
bösartiger Kobold auf Beute lauert. Die zackige Gliederung der haarigen Berne,
ihre Klauen und Krallen, das Lasche in den Gelenken gibt den Füßen etwas von
einer Falle, aus der wie auf einen Federdruck der Kopf springt. Wir glauben im
Ganzen eine Kraft zu spüren, die uns anspringt, umklammert, erwürgt, aussaugt.
Die alten, strähnigen Bäume und der zerfahrene Boden sind wie von dem Gifk-
hauch dieses Untieres verrußt nnd erstickt. Der graue Hintergrund mit den fahlen
Lichtern läßt das spärliche Grün kaum aufkommen und erhöht durch seine Düster-
keit das Bedrohliche des Motivs. Während der frühere Kubin für den Ausdruck
des Seltsamen und Grauenerregenden gerne besondere Gebilde sich ausdachte, ver-
mag der gereifte Meister aus der Wkrklichkeit Visionen zu gewinnen.
GespenstischerFischfang. Aquarellierte Federzeichnung. Das ist ein komischer
Fischer, der seine Beute, eine solche Beute, herumwirbelt, wie ein übermütiger
Fuhrknecht nu't seiner Peitsche die Luft zerknallt. Auch ist es merkwürdig, daß
ganz am Ufer sich die Kreise kringeln, als wäre ebendort der Riesenfisch seinem
Element entrissen worden. Noch anderes ware zu erwähnen, das mit der tatsäch-
lichen Situation auf gespanntem Fuß steht; und doch ist alles voll Wirklichkeit
— außer dem Fisch, der trotz seiner Fülle wie eine Erscheinung wirkt. Und der
Sinn des Ganzen? Man hat manchmal ein Iagdglück so überraschender Llrt, daß
es einem wie im Traum, wie ein Gespenst erscheint. Fischt da einer auf Gründ-
linge und Barsche und fängt ein kapitales Stück. Er reißt es heraus, schleudert
es halb vor Schreck und Angst über sich hinaus, glaubt es auf sich losgehend und
fuchtelt nun mit seiner Schnur wie zur Abwehr — sie aber gaukelt in grotesken
Windungen über dem Fischer, als wollte sie sich lustig machen über ihn; der rote
Bottich, der für die Beute bestimmt ist, schlägt eine laute Lache auf. Das Ganze
eine groteske Phantasie mit humorigem Einschlag.

Das klagende Lied. Federzeichnung. Kein Klagelied, ein kläglich Lied, das

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