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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 10 (Juliheft 1931)
DOI Artikel:
Böhm, Hans: Neue Lyrik, [3]
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0763

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Den ToLen der NevoluLion
Todgeweihte Leiber
Trotzig gestemmt
Wider den Bund

Der rohen Bedränger,

Löschte euch Schicksal

Mit dunkler Geberde.

Wer die Psade bereitet,

Stirbt an der Schwelle,

Doch es neigt sich vor ihm
Jn Ehrsurcht der Tod.

DaS ist eine matte Behandlung deS ThemaS, die mit keinem Wort oder RhythmuS
die Bewegung wiedergibt, die in der Seele Tollers vorauszusetzen ist. — Es ist nur
bezeichnend, daß, ähnlich wie etwa bei Herwegh, ein zarter und dichterischer Mensch
zum Borschein kommt, sobald Toller Persönliches gestaltet:

^shr Buchenwälder, Dome der Bedruckten,

Jhr Kiefern, heimatliche, tröstet Leid!

Wie wobet ihr geheimnisvoll um den beglückten
Knaben der sernen Landschaft wundersames Kleid ...

Es scheint also, daß wir hier einen der oben berührten Grenzfälle vor unö haben:
eine Begabung sühlt sich vor Aufgaben gestellt, die ihr nicht gemäß sind und vor
denen sie, ästhetisch gesehen, versagt, wenn ihr auch, vielleicht gerade deshalb, eine
gewisse Wirkung in die Zeit gegönt war. (Wird sortgesetzt)

Hans Böhm

Umschau

Engländer, Araber und Iuden

ernard Shaw schrieb einmal über die
Engländer: „Wenn England etwas
haben will, das ihm nicht gehört, dann
beschästigt es sich in Gedanken so lange
mit dem Gegenstand seiner Wünsche, bis
es überzeugt ist, daß Gott selbst diesen
Gegenstand den Engländern schenken
wolle, und dann wird England unwider-
stehlich." Man erinnert sich dieser bos-
haften Wahrheit, wenn man die Ge-
schichte des vorderen Orients in den letz-
ten zehn (gahren überblickt und mit grim-
miger Bewunderung seststellen muß, daß
dort eigentlich England alle Dinge zum
Besten dienen müssen. Die Leidtragenden
sind Araber und Juden. Die Araber wis-
sen es und lassen sich nicht mehr durch
das Verschleiern der Wirklichkeit: Man-
datssormen, halbe Freiheiten, sormelle
Souveränitäten, großzügige Gewinnbetei-
ligungen und weitherzige Versorgung mit
westlichen Zivilisationsgütern täuschen.
Die ^suden scheinen noch nicht desillu-
sioniert zu sein. Selbst Zionisten, die aus
nächster Nähe die Wirklichkeit sehen,

glauben den ideellen Teil deS Mandats-
werkes noch weit über den realen Nutzen
sür den Mandatar stellen zu können, wo-
bei wahrscheinlich mitspricht, daß sie um
aller jener jüdischen Idealisten willen, die
Geld, Leben, Arbeit und Not an die pa-
lästinische Sache gesetzt und uralter Sehn-
sucht einen festen Punkt geschassen haben,
um so lauter die Stimme des LobenS
und Glaubens erheben, je unsicherer die
innere Gewißheit wird. Selbst ein so
scharser Beobachter wie der Korrespon-
dent der Frankfurter Zeitung Hans Kohn
hat es in seinem neuesten Buch: „Natio-
nalismus und (gmperialismus im vorde-
ren Orient" (Societäts Verlag Frank-
surt am Main) vermieden, Klarheit dar-
über zu schassen, was nun an Palästina
und dem ganzen vorderorientalischen
Mandatssystem reines Geschäft und was
reiner Jdealismus ist. Freilich, indirekt
dringt die Wahrheit doch durch, und sie
ist eben jene Wahrheit, daß den Englän-
dern alle Dinge zum Besten dienen müs-
sen, wobei auch die Franzosen zu ihrem
Teil an diesem Segen teilnehmen.

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