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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1931)
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Grätzer, Franz: Blick auf das Theater, [1]
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Alvaro, Corrado: Das Bildnis der Melusina
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0812

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auch in den LandLag entsandt haL. Herr R. rühmL dem BühnenleiLer die künst-
lerischen Vorzüge des heimisehen LiebhaberLheaLers und hälL sür geboLen, im
voraus darauf hinzuweisen, daß annähernd gleichwerLige Leistungen von den
schlichLen Berufsschauspielern gar nichL etwa erwarLeL werden. Als aber das
angeseHLe Lustspiel sich abgerollt haL, erklärL er emphaLisch: „Iknd nun haben
wir doch noch viel mehr Spaß gehabL als bei nnserer eigenen leHLen Auf-
führung!" Welchen Schwank diese denn gebrachL habe, fragL höslich der Büh-
nenleiLer. „Gespenster... von Ibsen. Ist ja auch eigenLlich mehr ein ernstes
SLück." EigenLlich...

KämpfL die kulturelle Wanderbühne den vergeblichen GöLLerkampf? Sie frißL
sich kmrch. kknd sie bewegL sich doch.

2lm 6. Mckrz 19Z1 haL im LandLag der Preußische KulLusminister erklärL:
„Es gibt kein TheaLer der Großen KoaliLion." Er, der sich als religrösen
Sozialisten bezeichneL, haL die Prenßische Landesbühne vergessen, die ein
volksparteilicher AmLsvorgänger haL errichten helfen und dessen demokraLi-
scher Nachfolger geförderL haL. Prenßens hohe PoliLik haL die Große Koa-
liLion nicht wahren können, aber Preußens TheaLerpolitik lebt seiL Iahren im
Zeichen dieses BernnnfLbündnisses gegen das Chaos.

(Ein zweiter Aufsatz falgt)

Das Bildnis der Melufina

Von Corrado Alvaro

^ ^nLer den Dingen, die mir am Leuersten sind, befindeL sich ein Frauenbild-
'^^nis, das von einem Künstler stammL, der es in meinem HeimaLorL gemalL
haLLe. Ich beLrachtete es förmlich als PslichL, das PorLräL dieser kknbe-
kannLen zu kaufen und vor den Augen der Welt zu verbergen; denn obgleich
ich über gewisse GefühlsLraditionen meiner HeimaL hinausgewachsen bin, Lrage
ich sie dennoch im BluLe. Ich weiß, daß viele Franen meines Dorfes sich
niemals phoLographieren lassen würden; man brancht bloß mit einem photo-
graphischen ApparaL anf der SLraße zu erscheinen, und alle wenden den Kopf
zur SeiLe; ich besiHe ein einziges Bild meiner MuLLer, als BrauL; sie siehL
darauf ganz erschrocken aus, und mein BaLer stehk daneben, als müßLe er sie
vor dem drohenden Auge der Linse beschüHen. Ich muß gestehen, daß selbst
ich nicht frei bin von dieser primiLiven Scheu: es ist mir, als sollte ich sür
etwas Bleibendes posieren, ehe mein vergängliches Bild von dieser Erde ver-
schwinde. 2lber bei einer Frau kommt noch eLwas anderes hinzu: das Ge-
fühl, jemandem anzugehören, den sie noch nicht kennL, für den sie jedoch von
KindheiL an jeden kleinsten Zug ihrer selbst ausbewahrL haL, wie ein Ge-
heimnis, an den sie ihre SchönheiL verschenkL, uneingeschränkL, ohne MiL-
wisser, ohne Erinnerungen.

Wie dem auch sei, das Bildnis jener Frau ist in meinen Händen: sie steht
da, miL verschränkten Armen; die rechLe Hand bedeckt die linke, als die schwä-
chere und hilflosere von den beiden. Man sieht die kindlichen Finger, deren
SpiHen noch nnversehrt sind von den Dingen, die sie angefaßt haben: Ölkrng,

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