Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1931)
DOI Artikel:
Boelitz, Otto: Theaterkrise und Bühnenvolksbund
DOI Artikel:
Umschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0837

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lerische Volksbildungsarbeit in den Mittelpunkt seiner Bestrebungen und seiner Wirk-
samkeit gestellt und den entscheidenden Versuch unternommen, in allen seiner Trägern
und Ortsgruppen ein Leben zu entwickeln, das seine künstlerische Oualität und Wir-
kung dieser neuen Verlebendigung weltanschaulichen WollenS und StrebenS verdankt.
Mitten in diesem Versuch steht, unterstutzt von allen, die um die tiesere Natur der
Theater- und Kulturkrise unserer Zeit wissen, der Buhnenvolksbund heute, und viele
von denen, die noch vor wenigen Jahren das geishige Mitbestimmungsrecht des
Bundes im deutschen Theaterleben bezweifelten, haben gerade angesichts des Ernstes
der künstlerisch wirksamen Arbeit des Bundes ihre Meinung über die Weltanschauung
als Urheberin künstlerischer Erkenntnis geändert.

Nur durch den entschlossenen Willen der Führung, die Träger und Mitglieder einer
Theaterbesucherorganisation mitverantwortlich und mitwirkend am Theater der Zeit
zu machen, rechtsertigt ein Theaterbesucherverband seinen Bestand. Ein Besucher-
verband, der lediglich als Großkonsument von Elntrittskarten austritt, hat keine
Berechtigung, und ihm gegenüber sind alle die Einwände künstlerischer Kreise, die
in der organisierten Masse eine Gesahr sür die Freiheit und die Leistungssähig-
keit des Theaters sehen, durchaus am Platz. Nur der Besucherverband, der in sich
selber das Stück Theaterarbeit in Angrisf nimmt, das allein vom Publikum geleistet
werden kann, bringt der Bühne in ihrer tiefgehenden geistigen und künstlerischen Krise
das, waS sie so bitter nötig hat: ein Volk, dessen geistige Sehnsucht und dessen
Wunschbild so beschaffen sind, daß auS ihnen ein Theater und eine Lebensdarstellung
hervorgeht, die die Wirklichkeit in ihren Bann zwingt.

Jm Verlaus ihrer letzten, der naturalistischen Epoche hat die Bühne, zuletzt angelangt
beim „Zeittheater", in immer stärkerem Maße darauf verzichtet, auf dem Weg über
die Vorstellungswelt deS Menschen das reale Leben zu formen. Allzu sehr hat sie
sich immer mehr an ein weltanschauungslos gewordenes Theaterpublikum ausgeliefert
und bei den Ausschnittbildern der Realität und bloßen Reproduktion ihre Zuflucht
gesucht und so von einem Leben gezehrt, daS bereits von der Wirklichkeit geformt, ge-
lebt und darum von gestern, allen bekannt, glanzlos und abgegrisfen war. Das
Theater aber, um das die Großen der Nation, Schiller, Lessing, Goethe, ihr ganzes
Leben gekämpft haben, das Theater, aus dem das Volk das Bild seiner höheren
Wirklichkeit schöpft, damit auS ihm wiederum das Leben deS AlltagS sei'ne Weihe
empfange, dieses Theater des einzig fruchtbaren Zusammenhangs zwischen Künst und
Leben gilt es wieder zu schaffen. Den neuen geistigen und seelischen Aufschwung des
Publikums vorbereiten zu helfen, der die erste Vorauösetzung der Wiederverlebendi-
gung eines solchen Theaters ist, muß die vornehmste Aufgabe des BühnenvolksbundeS
sein und bleiben. Denn nur in der Erfüllung einer solchen Aufgabe, die vom Theater
wie von der Nation, von der Forderung der Religion wie von der Kunst in gleicher
Weise gestellt ist, wandelt er Theaterbesucher zu Gliedern eineS geistigen Bundes.

Otto Boelitz

Umschau

Zu wenig oder zuviel Kapitald

ie Frage mag paradox erschemen in
einer Zeit, in der Deutschland unter
starkem Geldmangel leidet und man nach
Krediten und Auslandsanleihen rust, in
emer Zeit, in der für Hypotheken g Pro-
zent ZinS gezahlt werden muß und der
Diskontsatz aus 10 Prozent erhöht wurde.

Und doch ist das Problem in den Mit-
telpunkt brennender Wirtschastssragen ge-
rückt worden. Eine Verösfentlichung des
^nstitutS sür Koujunkturforschung Ber-
lin über „Kapitalbildung und Jnvestition
in der deutschen Volkswirtschast von 192^
bis 1926" hat den Anstoß dazu gegeben,
und schon bilden sich zwei gegnerische wirt-
schasts- und parteipolitische Lager, die sich

735
 
Annotationen