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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 11 (Augustheft 1931)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0838

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für berechtigt halten, aus chr ganz ent-
gegengesetzte Schlußfolgernngen zn zie-
hen. Fast möchte es scheinen, als ob das
alte Schlagwort, daß sich mit Zahlen alles
beweisen läßt nnd daß die Statistik lügt,
unauörottbar bleiben soll, während es sich
in Wirklichkeit nur um einen bewußten
oder unbewußten Mißbrauch von Ziffern
handelt. Wir wollen es der Fachwissen-
schaft uberlasfen, zu den einzelnen Me-
thodenfragen kritifch Stellung zu nehmen,
uns soll hier nur das Entfcheidende in-
Leressieren, welche Schlusse hinsichtlich der
Kapitalbildung gezogen werden können.
Wenn wir die Frage aufwerfen, ob
Deutschland zu wenig oder zu viel Kapital
besitzt, so müssen wir uns vor allem dar-
über klar werden, was denn unter Kapi-
tal zu verstehen ist, und darüber, daß ein
Zuviel oder Zuwenig notwendig eine Ver-
gleichsbasis verlangt, daß also eine Zahl
allein in ihrer absoluten Form nicht das
Mindeste bedeuten kann, mag sie uns ge-
fühlsmäßig groß oder klein erscheinen.
Fragen wir den Kaufmann, was er denn
unter Kapital versteht, so werden wir
die Antwort erhalten, daß das Fabriken,
Häuser, Maschinen, Warenvorräte, Bank-
guthaben und Bargeld seien. Dabei wird
er uns aber bereits darauf hinweisen, daß
es sehr darauf ankomme, ob daS Kapital
gut oder fchlecht angelegt sei, je nachdem
es einen hohen oder niederen ZinS bringe,
kurz ob es eben gut rentierlich verwendet
sei. Das wollen wir festhalten! Und wen-
den wir uns dann an den zünftigen Bolks-
wirt, so wird er uns dahin belehren, daß
das Kapital durchaus kein privatwirt-
schaftlicher Begriff, sondern ein volkswirt-
schaftlicher sei, ein Begriff, der sich da-
durch bildet, daß all die vielen privaten
Einzelwirtschaften in einem Gebilde beson-
derer Art ineinandergreifen, eben in der
Bolkswirtschaft. Er wird uns darauf auf-
merksam machen, daß das, was privat-
wirtschaftlich rentabel ist, durchauS nicht
volkswirtschaftlich ergiebig sein muß. Er-
innern wir uns nur der Jnflationszeit,
in der das Verschieben von Waren zwei-
fellos für manchen hohen Gewinn brachte,
daß die Ergiebigkeit, oder wie es die Na-
tionalökonomen gerne nennen, die Pro-
dukti'vität der Volkswirtschaft nicht um
das mindeste erhöht wurde. Kapital im
volkswirtschaftlichen Sinne ist ein Fonds
von Gütern, der dem augenblicklichen
Verbrauch entzogen ist und der Erzeu-
gung dient. Davon müssen wir ausgehen,

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wenn wir zur Klärung verworrener Vor-
stellungen gelangen wollen. Also Fabri-
ken, Wohnhäuser usw. sind nur dann Ka-
pital, wenn sie in den gesamten volks-
wirtschaftlichen Prozeß eingegliedert sind
und die Ergiebigkeit fördern. Eine still-
gelegte Fabrik, leerstehende Wohnhäuser
sind nicht bloß im privatwirtschaftlichen
Sinne unrentable Anlagen, Fehlinvestitio-
nen, sondern sie sind im volkswirtschaft-
lichen Sinne überhaupt kein Kapital.

Wir haben fchon erwähnt, daß eine Ein-
gliederung des Kapitals in den volks-
wirtfchaftlichen Prozeß erfolgen muß.
Damit schneiden wir die Frage an, wie
sich das Kapital der Menge nach zu den
anderen Produktionsfaktoren, nämlich zu
Boden und Arbeit, verhalten muß. Ent-
scheidend ist, daß die Verhältnismäßig-
keit dieser Faktoren gewahrt bleibt, wenn
man das Ziel in der höchsten Produk-
tivität der Wirtschaft sieht, um das Ver-
hältnis des Menfchen zu der knappen
Güterumwelt ständig zu verbessern. Eine
Feststellung, ob zu viel oder zu wenig Kapi-
tal vorhanden ist, läßt sich also nur tref-
fen, wenn man das Verhältnis von Ar-
beitskraft zu Kapital im Auge behält.
Nun besitzen wir die theoretifchen Vor-
aussetzungen, um die obengenannte Ver-
öffentlichung daraufhin prüfen zu kön-
nen, welche Schlüsse wir aus ihr ziehen
dürfen. Nur unter dieser Bedingung und
mit öen noch folgenden Ergänzungen wage
ich es, nebenstehende Tabelle der Haupt-
resultate der Untersuchung zu bringen.
Wir wollen dazu bemerken, daß unter
I. die „zusätzlichen" Jnvestitionen zusam-
mengefaßt sind, so daß also bereits Ab-
schreibungen, die der Erhaltung der lau-
fenden Anlagen dienen, abgezogen sind.
Diese „Ersatzanlagen" sind unter II. zu
finden.

Diese Zahlen könnten zu der Behauptung
verleiten, daß in Deutschland doch recht
viel Kapital grbildet worden ist — er-
rechnet sich doch eine durchschnittliche jähr-
liche Jnvestition von Milliarden

Reichsmark. Doch dürfen wir nicht über-
sehen, daß ja hauptsächlich die Jahre des
wirtfchaftlichen Auffchwunges berücksich-
tigt sind und die Jahre deS NiedergangeS
192g und 19ZO sich nicht darin finden,
und daß noch folgende Einfchränkungen
zu machen sind.

Nach unseren bisherigen Ausführungen
ist klar, daß die erfaßten Neuinveftitio-
nen nicht mit der volkswirtfchaftlichen Ka-
 
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