Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0080
DOI Heft:
Heft 1 (Oktoberheft 1930)
DOI Artikel:Dwinger, E. E.: Auf dem Baikalsee
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ihnen, in jenem Schlitten, aus dessen Schneewehe die beiden Pserdeköpfe
ragen? DorL muß Luka liegen, unser Lotes VäLerchen...
Wir sliegen eine Stunde lang mit unbekannter Schnelligkeit den alten
Weg znrück. Die Roten sahren auf dem blankgewehten Eise, neben den
Wällen aus den Überresten der einstigen Armee. Einzelne der stehengeblie-
benen Schlitten sind so voller Menschen, daß sie mit den Schneelasten wie
kleine Hütten aussehen. Überall ragen Pferdekörper hervor, Leilweise schon
lange von Wölsen angenagt. Hier und dort liegt ein Mensch, zusammen-
gerollt wie ein Hund. Hinter Schneewellen sieht man Frauen sitzen, die
Kinder eng an sich gepreßt. Wenn ein heftiger Windstoß kommt, entblößt
er plöHlich Leichenhansen, sechs, acht Menschen, die gleichsam ineinander-
gekrochen sind, um SchuH zu sucheu. Diese Haufen liegen meist neben
gestürzten Pferden, hinter stehengebliebenen GeschüHen und Maschinengeweh-
ren. Ost sieht man auch blane Gesichter unter einem Schneewirbel aus-
tauchen, der sie ebenso rasch wieder zudeckt, wie er sie enthüllte. Wir nehmen
die Parade ab! hämmert es in meinem Gehirn. Die letzte Parade der lehten
Llrmee des Lekten Zaren Llllrußlands...
PlöHlich höre ich einen unterdrückten Schrei, sehe ich Berger nach links zeigen.
Wir gleiten an Verenikis Schlittenburg vorüber. Alles ist von Handgrauaten
zerseHL. Jm ganzen cklmkreis liegen Reihen gefallener Roter. Jch sinde nichts
mehr von seiner gewaltigen Gestalt, von unserm alten, wilden Kommandanten,
meinem großen Bruder. Rkur seine hohe PelzmüHe gewahre ich endlich. Sie
liegt weitab ans einer nnberührten Schneewelle. Und ihre gelbe Seide, das ge-
sürchtete Zeichen der Transbaikalkosaken, leuchtet noch lange...
(Aus dem eben erschienenen Buche von E. E. Dwinger „Iwischen Weiß und Rc>t, die
russische Tragödie igiq —20". Derlag Eugen Diederichs, Jena, das mitken durch die
Schicksale und Kämpfe der Weißen Armeen gegen den Bolschewismus führt. Wir bitten, im
letzten Nooemberheft nachzulesen, was Paul Aloerdes über den ersten Band Dwingers geschrieben
hat. Eine auösührliche Würdigung des oorliegenden WerkeS wird demnächst folgen. Einstweilen
mögen die auSgewählten Kapitel aus dem Schluß der Tragödie süc sich selber sprechen.)
Ortave Penguilch
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ragen? DorL muß Luka liegen, unser Lotes VäLerchen...
Wir sliegen eine Stunde lang mit unbekannter Schnelligkeit den alten
Weg znrück. Die Roten sahren auf dem blankgewehten Eise, neben den
Wällen aus den Überresten der einstigen Armee. Einzelne der stehengeblie-
benen Schlitten sind so voller Menschen, daß sie mit den Schneelasten wie
kleine Hütten aussehen. Überall ragen Pferdekörper hervor, Leilweise schon
lange von Wölsen angenagt. Hier und dort liegt ein Mensch, zusammen-
gerollt wie ein Hund. Hinter Schneewellen sieht man Frauen sitzen, die
Kinder eng an sich gepreßt. Wenn ein heftiger Windstoß kommt, entblößt
er plöHlich Leichenhansen, sechs, acht Menschen, die gleichsam ineinander-
gekrochen sind, um SchuH zu sucheu. Diese Haufen liegen meist neben
gestürzten Pferden, hinter stehengebliebenen GeschüHen und Maschinengeweh-
ren. Ost sieht man auch blane Gesichter unter einem Schneewirbel aus-
tauchen, der sie ebenso rasch wieder zudeckt, wie er sie enthüllte. Wir nehmen
die Parade ab! hämmert es in meinem Gehirn. Die letzte Parade der lehten
Llrmee des Lekten Zaren Llllrußlands...
PlöHlich höre ich einen unterdrückten Schrei, sehe ich Berger nach links zeigen.
Wir gleiten an Verenikis Schlittenburg vorüber. Alles ist von Handgrauaten
zerseHL. Jm ganzen cklmkreis liegen Reihen gefallener Roter. Jch sinde nichts
mehr von seiner gewaltigen Gestalt, von unserm alten, wilden Kommandanten,
meinem großen Bruder. Rkur seine hohe PelzmüHe gewahre ich endlich. Sie
liegt weitab ans einer nnberührten Schneewelle. Und ihre gelbe Seide, das ge-
sürchtete Zeichen der Transbaikalkosaken, leuchtet noch lange...
(Aus dem eben erschienenen Buche von E. E. Dwinger „Iwischen Weiß und Rc>t, die
russische Tragödie igiq —20". Derlag Eugen Diederichs, Jena, das mitken durch die
Schicksale und Kämpfe der Weißen Armeen gegen den Bolschewismus führt. Wir bitten, im
letzten Nooemberheft nachzulesen, was Paul Aloerdes über den ersten Band Dwingers geschrieben
hat. Eine auösührliche Würdigung des oorliegenden WerkeS wird demnächst folgen. Einstweilen
mögen die auSgewählten Kapitel aus dem Schluß der Tragödie süc sich selber sprechen.)
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