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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1930)
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Endres, Fritz: Emil Strauß
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0135

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Grienmger immerhin die Ursache des StreiLes „einen Hafenkäs" nennen, er
wird steks einen HaupLmann Gößlin finden, der ihm anLworLeL: „Hafenkäs
—- allerdings! Gerade darum handelk es fich! Nämlich, ob die Pforzheimer
ein Hafenkäs find, der sich nach jeder — beliebenden — RichLung breiLLreten
läßL, oder ob sie Männer von BluL und Eisen sind, für die es einen PunkL
gibL, wo sie nichL anders wollen, ums Verrecken nichL, wie ihr so schön sagL!
Darnm gehL es! Gewiß, die wandelbaren vergänglichen Dinge groß und
wichLig nehmen, isL ein SelbstbeLrng. Aber — wie dem Kinde das Sgiel-
zeug und das Sgiel, so sind uns diese Dinge gegeben und nur sie, darnit
wir uns an ihnen üben und slärken und im EnLscheidungsfalle nichL Qmark
sind, sondern ganze Menschen! Das WichLigste ist wirklich nichL Luther oder
Kalvin oder der Papst in Rom hinLen nnd ihr Hader: das WichLigste bist du,
bin ich, ist der Pforzheimer, jeder einzelne, der eben nur an diesem höchst
irdischen Stank und Streit sein eigenes unberührbares, unverwüstliches Wesen
erkennen und offenbaren kann. Für diesen Moment leben wir. Er ist dre
Vollendung, die WiedergeburL, das WelLgerichL, die Auferstehung, die Ver-
goLLung — wie man es nur immer genannt haL!" Solche Gedanken, die
nun wirklich in einem sehr hohen Sinne deuLsch sind, mögen dcn Liefen herben
Ernst bezeugen, dessen der echte Humor bedarf, nm zu gedeihen; diese Heiter-
keit, die gerne über sich und andere lacht, ist nicht leichLlebig noch leichtsinnig:
sie ist der Siegespreis schwerer geistiger und seelischer Kämgfe. Die männ-
lichsten Männer, die Emil Strauß geschildert hat, der Hauptmann Gößlin
oder der Musiker Iosef oder gar der „GarLenäre", dieser franziskanische Geist-
liche, „ein Mann wie die alLen Heiligen der Legende", machen sich das Leben
und das Denken nichL leichk, sie geben sich miL keiner überlieferLen Meinung
zufrieden, sondern prüfen und grübeln und leben vor allem, unbekümmerL um
die Meinung der LeuLe, unbekümmert auch nm die Opfer, die sie bringen
müssen, genau so, wie sie denken, weil sie GoLL suchen. Denn auch auf sie
LriffL das Liefsinnige IkrLeil zu, durch das Rudolf BorchardL die deutsche Poesie
von den anderen eurogäischen Poesien unterscheidet, nämlich, „daß in ihr von
den ersten Llnfängen bis anf den henLigen und wohl den ewigen Tag das Ber-
hälLnis des Sterblichen zum Unsterblichen immer wieder aufspringt und fast
alle anderen ewigen RelaLionen des Menschlichen in sich verschlingL." Auch
und gerade bei Strauß sind die Beziehungen der Menschen zu StaaL und
Kirche und GesellschafL, selbst zur Rratur und zur Kunst vor allem deshalb
wichtig, weil sich in ihnen GoLL ins Menschliche umsehL.

Aus der religiösen Sehnsncht nach dem GöLLlichen als dem großen Einklang
erklärL sich nicht nur Straußens Liebe zur Musik, sondern auch seine Liebe
zur Frau. Wie GoLLfried Keller haL er eine Fülle von wunderbaren Franen
geschaffen: von der kindlichzarLen Prinzessin Iacobea an bis zur reifen und
sicheren EngelwirLin und bis zu den prachLvollen alten Frauen, der TanLe
Ulrike in den „Kreuzungen" oder der TanLe LoLLe im „Spiegel", bei denen
das Erleben sich zn gelassener WeisheiL geklärL haL. Er kennL sie alle: die
guLmütige Dirne, die beschränkte KleinstädLerin und die große Dame, das
liebe jnnge Mädel und das leidenschaftliche Weib, die einfälLige Berführte und
die bezaubernde Berführerin; es gibL kanm eine Form des Weiblichen, die er
nichL schilderte. Er kennL die Liebe als zerstörende und als erlösende Macht,
 
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