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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 4 (Januarheft 1931)
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Schmitt, Carl: Zur politischen Situation in Deutschland
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Baur, Karl: Das steinerne Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0302

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einem für vier Iahre gewählten Reichstag, mit einer von den wechselnden Mehr-
heiten abhängigen Regierung ist das eine unmögliche Sache. Und doch liegt die
Notwendigkeit irgendeines Planes auf der Hand. Aber wenn wir nicht mit Ka-
tastrophen arbeiten wollen, so bleibt für den, der die innerpolitifche Lage vom
Standpnnkt der gegebenen Möglichkeiten auS übersieht, beim besten Willen nichts
anderes übrig. Es hat sich gezeigt, daß die verfassungSmäßigen Mittel der Reichs-
regierung auch gegenüber dem Parlament sehr stark sein können. Die Anwendung
des Artikels ^6 hat trotz des VorwurfeS des Verfassungsbruches, der übrigens zu
Unrecht erhoben wurde, in der verwaltungsmäßigen Durchführung der Notver-
ordnungen keinen Widerstand gefunden. Der staatliche Apparat funktioniert noch,
vor allem funktioniert noch die Neichsbürokratie. Es geht in Deutfchland heute
überhaupt nicht ohne diese Reichsbürokratie, die ich hier mit einem Wort ver-
teidigen darf. Viel gefährlicher als die staatliche Bürokratie sind die Bürokratien
der ebenerwähnten pluralistifchen Organisationen, die mächtige Bürokrati'en mit
allen Fehlern sind, nur daß ihnen staatlicher Derantwortungssinn und jede ösfent-
liche Kontrolle fehlt, während zum Glück im deutfchen Beamtentum noch staat-
liches Gefühl vorhanden ist.

Ich fühle mich, wenn ich diese kurzen Ausführnngen mache, in der Lage eines
Technikers, der davor warnt, einen Mafchinenteil während der Fahrt aus dem
Wagen herauszunehmen und durch einen anderen zu ersetzen. Ich will mich als
Inrist nicht dem Einwand aussetzen, daß ich die Bedeutung der Verfassung über-
fchätze; ich will deshalb vorsichtigerweise nicht sagen, daß es sich um den Motor
des Wagens handelt. Es handelt sich aber um einen sehr wichtigen Teil, ohne
den es nicht geht und den man im Augenblick besser in Ruhe läßt, wenn man es
nicht auf unabsehbare und gefährliche Experimente ankommen lassen will.

Carl Schmitt

Das siemerne Berlm

s ist ein deutfcher Wahn, eine geistige Hauptstadt könne möglich sein, solange

„—^die sogenannten Gebildeten sich beinahe etwas darauf zugute tun, von städte-
baulichen Dingen wenig zu verstehen", sagt Werner Hegemann im Vorwort seines
Buches „Das steinerne Berlin". Er tristt damit die beiden Probleme gleichzeitig,
um welche die von Leidenfchaft und Liebe durchpulsten Gedanken seines Buches
kreifen: das Gesicht Berlins als Metropole des Deutfchen Reiches und di'e Be-
deutung deS StädtebaueS im Bewußtsein der Östentlichkeit.

Man frage Iuristen, Ärzte oder Ingenieure, was Städtebau ist; man wird die
merkwürdigsten, um nicht zu sagen primitivsten Meinungen hören. Kein Wunder!
Sind doch selbst die Lehrstühle für Städtebau an den Technifchen Hochfchulen noch
sehr jung und ist es doch selbst unter den Fachleuten des engsten Kreises, unter den
Architekten, erst die heutige Generation, die lernt, daß nicht die „Formenlehre" das
Gesicht der Städte und Siedlungen von heute und morgen zu bestimmen hat, son-
dern die Arbeit des Städtebauers. Auf dem Reißbrett Wachstumsmöglichkeiten
und AusdehnungSräume, Art der Bebauung, Straßen- und Verkehrslinienführung
usw. zu bestimmen, das bedeutet: Iahrzehnte vorausdenken, Lebensmöglichkeiten
und LebenSart Tausender und Abertausender noch nicht Geborener wesentlich mitbe-
stimmen. Die Statistiken der Hygieniker, der Iuristen und Soziologen werden
andere Zahlen und Kurven zeigen, je nachdem wirkliche Städtebauer, erfüllt vom
Gefühl der Verantwortung, oder wenn Stümper die BebauungSpläne deutfcher
Städte zeichnen.

Ein Menetekel fürchterlichster Art ist Berlin. Freilich wird es niemand leicht
fallen, an der Entwicklung anderer deutfcher Großstädte zu beweisen, daß man um

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