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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 6 (Märzheft 1931)
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Aus Adolf Loos' Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0455

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Hcrus ist eö nicht. DclS Kunstwcrk wird in die Welt gesetzt, ohne daß ein Bedürfnis
dafur vorhanden wäre. Daö Haus deckt ein Bedurfnis. DaS Kunstwerk ist niemaw-
dem verantwortlich, das Haus einem jeden. Das Kunstwerk will die Menschen auS
ihrer Bequemlichkeit reißeu. Das HauS hat der Bequemlichkeit zu dienen. Das Kunst-
werk ist revolutionär, das Haus konservativ. DaS Kunstwerk weist der Menschheit
neue Wege und denkt an die Zukunft. Das HauS denkt an die Gegenwart.

Die Architektur gehört nicht unter die Künste. Nur ein ganz kleiner Teil der Archi-
tektur gehört der Kunst an: daS Grabmal und daS Denkmal. AlleS, waS einem Zweck
dient, ist auS dem Reiche der Kunst auszuschließen!

Goethe war ein moderner Mensch. Jch vermisse sein Wort auf der Mauer der
Kunstschau: „Die Kunst, die dem Alten seine Fußböden bereitete und dem Christen
seine Kirchenhimmel wölbte, wird jetzt auf Dosen und Armbänder verkrümelt. Diese
Zeiten sind schlechter, als man denkt."

Der Weg ist: Gott schuf den Künstler, der Künstler schafft die
Zeit, die Zeit schafft den Handwerker, der Handwerker schafft
den Knopf.

Der Hobel aus dem Mittelalter gleicht —- siehe Dürers Melancholie — durchaus
unserem Hobel. Es gibt keineEntwicklung einmal gelösterDinge.
Sie bleiben in der gleichen Form durch Zahrhunderte, bis eine neue Erfindung sie
außer Gebrauch setzt oder eine neus Kulturform sie gründlich verändert.

Der Mensch kommt mit modernen Nerven zur Welt. AuS modernen Nerven unmo-
derne zu machen, nennt man Erziehung.

Meiner Meinung nach fand jene wackere Hausfrau auf die Frage, was stilvoll sei,
die beste Antwort, die sagte: wenn auf dem Nachtkastel ein Löwenkopf ist und dieser
Löwenkopf ist dann auf dem Sofa, auf dem Schrank, auf den Betten, auf den
Sesseln, auf dem Waschtisch, kurz auf allen Gegenständen des ZimmerS gleichfalls
angebracht, dann nennt man dieseS Zimmer stilvoll.

*

^^ch tresfe den berühmten modernen Raumkünstler R. auf der Straße.

^^ZGuten Tag, sage ich, gestern habe ich eine Wohnung von Zhnen gesehen.

So — welche ist es denn?

Die des Dr. A.

Wie, die des Dr. A.? Um Gotteswillen, schauen Sie fich doch den Dreck nicht an! Das
habe ich vor drei Iahren gemacht.

WaS Sie nicht sagen! Sehen Sie, lisber Kollege, ich habe immer geglaubt, zwischen
unS gibt es einen prinzipiellen Unterschied. Nun sehe ich, daß eö sich nur um einen
Zeitunterschied handelt. Einen Zeitunterschied, den man sogar in (Zahren ausdrücken
kann. Drei Iahre! (Zch habe nämlich fchon damals behauptet, daß eS ein Dreck
ist — und Sie tun das erst heute. (igoz)

Frage: Batik?

Jlntwort: Jn den letzten Monaten mehrsn sich dke Fälle, daß mich ein Mädchen
aufsucht, mir mitteilt, daß sie Künstlsrin sei, und da eS doch mein Beruf, und daher
meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit sei, Künstlern mit Rat und Tat zur
Seite zu stehen, so —

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