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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 6 (Märzheft 1931)
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Aus Adolf Loos' Schriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0457

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ihneri mehr eine Frage des Geldes als eine Frage der Knnst. Und früher galt die
Kunst, die Oualität der Arbeit, doch mehr als heutzutage.

Solche Zeiten hnben auch auf dem Gebiete der Bankunst flolze Kraftnaturen gezeitigt.
Fischer von Erlach brauchte keinen Granit, um sich verständlich zu machen. Aus
Lehm, Kalk und Sand schuf er Werke, die uns so mächtig ergreifen wie die besten
Bautverke aus den schroer zu bearbeitenden Materialien. Sein Geist, feine Künstler-
schaft beherrschte den elendsten Stoff. Er roar imstande, dem plebejischen Staube
den Adel der Kunst zu verleihen. Ein König im Reiche der Materialien.
Gegenwärtig aber herrscht nicht der Kunstler, sondern der Taglöhner, nicht der schöp-
ferische Gedanke, sondern die Arbeitszeit. Und auch dem Taglöhner wird schrittweise
die Herrschaft aus den Händen gewunden, denn eö hat sich jemand eingefunden, der
guantitative Arbeitsleistung besser und billiger herstellt, die Maschine.

Aber jede Arbeitszeit, ob sie die Maschine oder der Kuli verrichtet, kostet Geld. Wenn
man aber kein Geld hat? Dann beginnt man die Arbeitszeit zu erheucheln, das
Material zu imitieren.

Die Ehrfurcht vor der Quantität der Arbeit ist der fürchterlichste Feind, den der
Gewerbestand besitzt. Denn er hat die ^mitation zur Folge. Die Jmitation hat aber
einen großen Teil unseres Gewerbes demoralisiert. Aller Stolz und Handwerksgeist
ist aus ihm gewichen. „Buchdrucker, was kannst du?" — „Jch kann so drucken,
daß man es für lithographiert hält." ^— „Und Lithograph, was kannst du?" — >,Jch
kann lithographieren wie gedruckt." — „Tischler, was kannst du?" — „Jch kann
Ornamente schnitzen, die so flott auösehen, als hätte sie der Stukkateur gemacht." —
„Stukkateur, was kannst du?" — „Jch imitiere Gesimse und Ornamente so genau,
mache Haarfugen, die jeder für echt hält, daß sie wie die beste Steinmetzarbeit aus-
sehen." — „Das kann ich auch!" ruft stolz der Klempner, „wenn man meine Orna-
mente streicht und sandelt, so kann niemand auf den Gedanken kommen, daß sie aus
Blech sind." — Traurige Gesellschaft!

Es geht ein Gekst der Selbstentwürdigung durch unser Gewerbe. Man wundere
sich nicht, daß es diesem Stand nicht gut geht. Solchen Leuten soll es gar nicht gut
gehen. Tischler, auf, sei stolz, daß du ein Tischler bist! Der Stukkateur macht Orna-
mente. NeidloS und wunschlos sollst du an ihm vorbeigehen. Und du, Stukkateur,
was geht dich der Steinmetz an? Der Steinmetz macht Fugen, muß leider Fugen
machen, weil kleine Steine bklliger zu stehen kommen als große. Sei stolz darauf,
daß deine Arbeit die kleinlichen Fugen, die Säule, Ornament und Mauer zerschneiden,
nicht aufweist, sei stolz auf deinen Beruf, sei froh, kein Steinmetz zu sein!

Aber ich rede in den Wind. Das Publikum will keinen stolzen Handwerker. Denn
je besser einer imitieren kann, desto mehr wird er vom Publikum unterstützt. Die
Ehrfurcht vor den teuren Materialien, das sicherste Zeichen für das Parvenüstadium,
in dem sich unser Volk befindet, will es nicht anders. Der Parvenü findet es be-
schämend, sich nicht mit Diamanten schmücken zu können, beschämend, kein Pelzwerk
tragen zu können, beschämend, nicht im Steinpalast zu wohnen, seitdem er in Eo-
fahrung gebracht hat, daß Diamanten, Pelzwerk und Steinfassaden viel Geld kosten.
Daß das Fehlen von Diamanten, Pelzwerk oder Steinfassaden auf die Vornehmheit
keinen Einfluß hat, ist khm unbekannt. Er greift daher, da es ihm an Geld gebricht,
zu Surrogaten. Ein lächerliches Unterfangen. Denn diejenigen, die er betrügen
will, diejenigen, deren Mittel es erlauben würden, sich mit Diamanten, Pelzwerk
und Steinfassaden zu umgeben, können nicht getäuscht werden. Die finden solche
Anstrengungen komisch. blnd für die Unterstehenden sind sie wieder unnötig, wenn
man sich seiner Überlegenheit bewußt ist. (AuS „Die Baumaterialien" 1698)

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