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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

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Heft 7 (Aprilheft 1931)
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Ullmann, Hermann: Berlin und der Erfolg
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0528

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zur „Republrk" oder zum ReL.chsbanner Schwarz-Rot-Gold oder sonst ein un-
verbindliches Sprüchlern, iu den BesiH der Links-ELLkeLLe gekommen war, fort-
an seiner BeachLung in den illustrierLen ZeiLschrifLen, FeuilleLons und Ruud-
funkparaden sicher seLn konnke — mochte er auch Lm übrigen eine völlige Nmll
sein. Dic RechLszeiLungen LroLLeLen danu ahnungslos hinLerdrein, der Mann
war gemachL. Wohingegen ein TaleuL, das sich vielleichL auch nur weigerte, in
irgendein poliLisches Herdengefchrei einzusiimmen, schon verdächLig war. Von
den völlig unfa'chlichen philo- und anLisemiLischen NessenLimenLs, die sich oft
genug eine politische Maske vornehmen, ganz zu schweigen. „Berlin" hat
keine GesellschafL, auch keine GeschmackskonvenLion, so wenig wie TradiLion
oder InsiinkL, es isi völlig vorurLeilsfrei und nüchLern wie ein GuLLempler —
aber Berlin isi ungemein suggestibel. cklnd wer es nichL versiehL, sich in den
Suggesiions- und Neklameapparat der ZenLrale einzuschmuggeln oder einzu-
schalLen, in ZeLLungslob, Rundfunkruhm, parLeipoliLische und bürokraLische Mei
nungsbildung, oder wer gar diesen SuggesiionsapparaL gegen sich aufbringt
(wie ich vermuLlich durch diese Zeilen, da der „ApparaL" naLurgemäß keinen
Humor haL und diese ganze SLtuation anderseiLs ohne Ironie überhaupL nichL
zu behandelu isi) — der wird es schwer haben, die Berliner Erfolgszensur auf
eigene Fausi für sich zu gcwinnen. Höchsiens durch eLnen Handsireich, eine
außergewöhnlLche oder eine sehr populäre Leistung. Dann gehL Lener Reklame-
apparat anffallend willig und plöHlich mit.

Bber um wieder ernst zu sprecheu: es handelL sich nichL um eine parLeipolitische
Frage, auch nichL um ei'ne Frage der Tendenz in ersier Linie, soudern um einen
Mangel im deutschen Leben, den nur dLe klare Diagnose, ein enLsprcchendes Ver-
halLen und die ZeLL, d. h. die geschichLliche Enttvicklung heilen kann. Es hilfL
nichts, nm BerlLn herumzngehen, d. h. jener ZivilisaLorischen, ans der Zentralen-
fphäre siammenden, oft mechanischen und zufälligen WerLung auszuweichen.
Sondern man muß in dem Zusiand, den unsere schöpferischen KräfLe gegen-
wärLig vorfinden, einen Zwang zu besouders scharfer Auslese anerkennen. Durch
bewußLe kulturpoliLische und politische Ansirengung kann ein für die NaLion
allzu gefährlicher Borsprung der bloßen geisiigen BörsenwerLe und derHänd-
lerware aus ZweiLer Haud sicherlich bekämpfL und beschränktwerden. Ganz wird
sich, wie die Dinge nun cinmal in Europa liegen, der rein zivilisaLorischen Wer-
Lung keine schöpferische Leisiung enLziehen können. Und das isi guL so. Denn
nur so wird das deuLsche Bolk, soweLt es seelisch verletzk, von RessenLimenLs
und MinderwerLigkeiLsgefühlen gehemmt, zur NegaLion, zur VerbiLLerung,
zur allzu zärLlichen und abseitigen Pflege seiner Wunden wie seiner meLaphy-
sischen Neserven neigen mag, nach vorwärLs geLrieben, zur AuseLnanderseHung
miL der WirklichkeiL, miL den unerbiLLlichen Llnforderungen und BorausseHun-
gen des Wirkens. Nur aus dem durchgekämpfLen WLderspLel der aus dem
MeLaphysischen quellenden schöpferischen und biologischen KräfLe miL den Wi-
dersiänden der feindlichen (zivilisaLorisch-künsilichen oder anderen LebensgeseHen
unLerworfeuen) WirklichkeiL der übrigen WelL erwächsi die Nation, d. h.
das gesialteLe Volk. Und so kaun leHLen Endes auch das viel angeklagte BerlLn
und seine ofL bedenkliche Erfolgszensur zu einem ErziehuugsmLtLel für ein halb

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