Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0714
DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1931)
DOI Artikel:Martin, Kurt: Deutsche Dichter als Maler und Zeichner
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Die minder holde weiblichkeit
"Im -Hinterhaus ofr keifr und schreit.
JohanneS Schlaf: Aus „Der geschundene Pegasus"
Gelegerrheits-Karikatur und im Kinderbuch meist ihre eigeutliche Wirksam-
keit finden. Die höchste Volleudung des Typus erreicht der Zeremonien-
meister, Obermusiktheateriutendant und Oberßkämmerer des Bayerischen Hofes
Franz von Pocci. Dieser Pasquillant, wie er sich nannte, hat Verse und
Lieder gedichtet, Almanache, Märchen und Pupgenspiele geschrieben, zeichnete
Kinderbücher und Karikaturen, komponierte Operetten, spielte Theater und
schnitzte auch noch ganz Lm stillen, immer als Dilettant und doch heute noch
anerkannt, weil durch das dilettantische Ergebnis die künstlerische Persön-
lichkeit in ungebrochener Naivität und Harmlosigkeit durchschimmert. Selb-
ständiger ist Lyser, auch er Musiker, Zeichner und Dichter, bekannt mit
allen Größen der Zeit, begabt in der rascheu Skizze. Sie bleibt geistreiche
Unterhaltung, weil er immer nur Umgebung gewesen iß und seine Talente
weder dichterisch noch zeichnerisch zu sichern wußte. Bezeichnend, daß Pocci
und Lyser der Sinn für sachliche Wiedergabe, das Bedürfnis nach „natu-
ralistischer" Darstellung fast fehlt. Sie suchten die „Situation", die humo-
riftische Zeichnung, die Karikatur, die dem nichtgeschulten Talent williger
entgegenkommen als der ernsie Vorwurf und gerade der Doppelbegabung
naheliegen, da Karikatur und Witzzeichnung meistens eine literarische Er-
gänzung verlangen. Das gleiche gilt von der Mehrzahl der Kinderbücher,
die für den Dichtermaler und Malerdichter immer gemeinsames Gebiet
waren, sei es das reine Bilderbuch, wie es der Frankfurter Irrenarzt und
Komödiendichter Heinrich Hoffmann als „Struwwelpeter", „Bastian der Faul-
yelz", „König Nüßknacker" seinen Kindern schenkte, oder das Bilderbuch, das
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"Im -Hinterhaus ofr keifr und schreit.
JohanneS Schlaf: Aus „Der geschundene Pegasus"
Gelegerrheits-Karikatur und im Kinderbuch meist ihre eigeutliche Wirksam-
keit finden. Die höchste Volleudung des Typus erreicht der Zeremonien-
meister, Obermusiktheateriutendant und Oberßkämmerer des Bayerischen Hofes
Franz von Pocci. Dieser Pasquillant, wie er sich nannte, hat Verse und
Lieder gedichtet, Almanache, Märchen und Pupgenspiele geschrieben, zeichnete
Kinderbücher und Karikaturen, komponierte Operetten, spielte Theater und
schnitzte auch noch ganz Lm stillen, immer als Dilettant und doch heute noch
anerkannt, weil durch das dilettantische Ergebnis die künstlerische Persön-
lichkeit in ungebrochener Naivität und Harmlosigkeit durchschimmert. Selb-
ständiger ist Lyser, auch er Musiker, Zeichner und Dichter, bekannt mit
allen Größen der Zeit, begabt in der rascheu Skizze. Sie bleibt geistreiche
Unterhaltung, weil er immer nur Umgebung gewesen iß und seine Talente
weder dichterisch noch zeichnerisch zu sichern wußte. Bezeichnend, daß Pocci
und Lyser der Sinn für sachliche Wiedergabe, das Bedürfnis nach „natu-
ralistischer" Darstellung fast fehlt. Sie suchten die „Situation", die humo-
riftische Zeichnung, die Karikatur, die dem nichtgeschulten Talent williger
entgegenkommen als der ernsie Vorwurf und gerade der Doppelbegabung
naheliegen, da Karikatur und Witzzeichnung meistens eine literarische Er-
gänzung verlangen. Das gleiche gilt von der Mehrzahl der Kinderbücher,
die für den Dichtermaler und Malerdichter immer gemeinsames Gebiet
waren, sei es das reine Bilderbuch, wie es der Frankfurter Irrenarzt und
Komödiendichter Heinrich Hoffmann als „Struwwelpeter", „Bastian der Faul-
yelz", „König Nüßknacker" seinen Kindern schenkte, oder das Bilderbuch, das
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