Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1931)
DOI Artikel:
Böhm, Hans: Wilhelm Raabe: zum 8. September 1931
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0857

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XXXXIVDxnkOVNk

Wilhelm Raabe

Zum 8. Seprember igzi

Von Hans Böhm

WaS sind wir allesamt auderS, als Bokcu, die oersiegelre Gaben
zu unbekannten Leuten tragen? Abu Telsan

b ls Wilhelm Raabe 75 Iahre alt war, lag sein Lebenswerk mit 6z
'^^großeu, mittleren und kleinen Erzählungen vor, bedeuLend nach Umfang
wie GehalL; aber es fehlLe manches daran, daß die RkaLion es wahrgenom-
men und sich angeeigneL häLLe. Viele Bücher waren nichL über die 1., 2.,
Z. Anflage hinausgekommen; „2lbu Telfan" und der „Schüdderump" haLLen
üo Zahre gebrauchL, um es zur ü- Ruflage zu bringen. Dagegen haLLe der
„Hungerpafior" damals die 22., die „Chronik der Sperlingsgasse" gar die
üg. Auflage erreichL: als DichLer dieser Frühwerke, die er selber ärgerlich
seine „Kinderbücher" genannL haL, fiand Raabe gegen Ende eines fünfzig-
jährigen SchrifLftellerlebens vor den Augen des Publikums; und wer möchLe
sagen, daß diese falfche Schähung heuLe fchon überwunden wäre? Dieses
Schicksal, das ihn zeiLlebens zu einer äußerlich dürfLigen und bedrohLen Eri-
ftenz verurteilt haL, ift ungewöhnlich genug, um nach einer Erklärung suchen
zu lassen. Auch die anderen DichLer jener ZeiL, Keller, SLorm, FonLane und
Meyer, haben ja miL den „beliebLen AuLoren", von der MarliLL und
Jnlius Wolff bis zu Dahn und Heyse, zu kämyfen gehabL; wenn sie sich
gleichwohl, bei geringerer ProdukLion, ungleich fchneller durchgesehL haben als
Raabe, so können die Gründe für die SyrödigkeiL des deuLfchen Lesers nichL
nnr bei diesem gesuchL werden; Raabes Werk selbft muß Eigenfchaften und
EigenheiLen haben, die den Zugang zu ihm erfchweren. Gerade wer diese
DichLung den „GebildeLen unLer ihren VerächLern" nahebringen will, wird
also von dem ausgehen müssen, was ihr fehlL, was man bei ihr vermißL und
nichL suchen soll; es wird sich ergeben, daß solche Mängel und Schwächen
bedingL sind und weiL überzahlL werden durch WerLe, die nur Raabe
eignen.

Den großen Erzähler bezeichneL unerfchöyfliche bildhafte PhanLasie, die reiche,
syannende Handlungen und sinnlich greifbare Handlungen erfchaffL. Homer, Cer-
vanLes, Dickens, Balzar — wer kann die Rkamen hören, ohne zahllose Szenen
und Gefchehnisse deuLlich vor Augen zu haben? Denken wir an Raabe, so sind
es selLen Bilder der äußeren WelL oder umfängliche Handlungen, deren wir uns
erinnern. Seine PhanLasie ift von RkaLur aus sowohl arm wie blaß. Gern
enLlehnL er, zumal in der erften HälfLe seines dichLerifchen Werks, von den
großen Fabuliften der Engländer und Franzosen oder ftüht sich auf ge-
fchichLliche Überlieferung, bis er, zur ZeiL seiner „GeburL", also eLwa seiL

Septemberheft igzi (XXXXIV, 12)

753
 
Annotationen