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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 44.1930-1931

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1931)
DOI Artikel:
Böhm, Hans: Neue Lyrik, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8820#0899

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Du bist im Lebenskreis, du bist im Ring,

Dir zugehörig ist ein jedes Ding,
blnd allen zugehörig bist auch du.

Des Paradieses Dür ist dir nicht zu."

Wie anders mutet zunächst die Enkelin AchimS und der Bettina Arnim an, Welt-
fahrerin und Weltdame, — und doch ist da Berwandtschaft, im Seelischen und im
Sprachlichen. Melancholie der Vergänglichkeit, hier freilich nicht wie dort ins Christ-
liche mündend und aufgehoben, ein etwas bewegterer und gepflegterer Vortrag, der
gleichwohl auch nicht zu besonderem Ausdruck durchstößt: man wird von diesen
Außerungen eines zarten und kultivierten Geistes berührt, ohne daß sie länger zu
haften vermögen:

Die Welle schäumt und ist nicht mehr,

Die Schwesterwelle kommt gezogen,

Es ist das eine große Meer
blnd sind doch nie dieselben Wogen.

Aus tiefem Brunnen rauscht das Blut
Und bringt den Adern seine Kunde:

„Auf ewig", sagt der junge Mut,

Und es entflieht die einzge Stunde.

Hans Benzmann, Passion des Schasfenden (Haessel).

Benzmann gehört zu jener Generation des Jugendstils der goer Jahre, zu der wir
kaum ein Verhältnis finden können; vielleicht wird eine spätere Zeit die Verdienste
auch der kleineren Talente aus diesen Jahren eher würdigen können. Benzmann
verstummte im Kriege, und erst wenig vor seinem Tode (1926) kam ein neuer Schaf-
fenSrausch über ihn, mehr quälend und zerstörend als beglückend. Mustert man die
Ausbeute, soweit sie in dem Auswahlbande vorgelegt wird — es sind etwa 70
Gedichte —, so treten zu Naturstimmungen Legenden und Liebeslieder, die sich gerne
in östlicheö Gewand hüllen: ägyptische, arabische, indische, chinesische Motive, teils
mystisch, teils erotisch, ohne daß eine Einheit der Gegensätze sichtbar würde. Anch
neue Züge am Bilde des DichterS fügt der Band nicht hinzu. Jm Formalen stört
eine gewisse Sorglosigkeit oder Schwäche, wenn etwa „des Reimes wegen" das Zeit-
wort nachgesetzt wird („Und einen Adler ich zu seinen Häupten sah"), wie denn
Kürze und Straffheit nicht die Sache dieses musikalischen DichterS waren, der den
Schluß gern im Refrain verschwimmen läßt. Vielleicht am bezeichnendsten für Wesen
und Stil Benzmanns ist

DastraurigeLied
blnd als ich einst die Gassen
Durchirrte wie der Wind,

Da fühlt ich mich ohnemaßen
Tief, abgrundtief verlassen —

Da weint ich wie ein Kind,

Zch schluchzte wie ein Kind...

Und ist mir doch wie Klingen,

Das mich nachher betört,

Und hab ich doch ein Singen —

O was will da gelingen? —

Jn meiner Brust gehört,

Gar zart in mir gehört...

Jch armer Musikante,

Es war das alte Spiel, —

Als ich die Saiten spannte,

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