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Südwestdeutsche Rundschau: Halbmonatsschrift für deutsche Art und Kunst — 1.1901

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Morawe, Christian Ferdinand: Die Darmstädter Spiele 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.12765#0196

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181

Künstler auf denselben Bierstühlen sitzen, die uns selbst
als Subsellium dienen, sieht weisse Hemden sich roh
und kalt in grellem Licht von schwarzen Fracks ab-
heben— und was derlei Unannehmlichkeiten mehr sind.
Man mache sich nur einmal klar, wie ausserordentlich
wir auf Musik zu reagieren im Stande sind , wenn die
uns trotz alledem so zu Herzen — und auch zu Ver-
stände — geht, wie es doch thatsächlich der Fall ist.
Warum in aller Welt verstehen wir die eine Kunst so,
dass sie uns ganz selbstverständlich ist, aber warum
lassen wir sie kalt und einsam stehen, warum rauben
wir ihr immer einen Teil ihres Wertes und ihrer Ein-
dringlichkeit, der Überzeugungskraft ihrer Sprache
indem wir die benachbarten Künste ausschliessen ? -
Weil es uns an wirklicher künstlerischer Bildung, und
in der Folge an ehrlichem künstlerischen Verständnis,
an reinem Takt mangelt. Und warum mangelt es daran ?
Weil es bisher Niemandem gelungen ist, die Künste
schlicht und ehrlich so zu vereinen, wie ihnen not thut
und unerlässlich ist, um das Volk eben von der Not-
wendigkeit ihres Zusammenhangs zu überzeugen. Der
Ruf danach ist allgemach so laut und dringlich geworden,
dass er sich jetzt unbedingt irgendwo zur That ver-
dichten, und aus der Reihe der künstlerisch Taktvollen
der Thatmensch herausspringen muss. Viel mehr zu
wünschen giebt es augenblicklich nicht, und auch das
eindringlichste Predigen' mit Wort und Schrift bringt
uns nicht weiter — heut gilt nur die That. Die schnelle
That, welche Thatsachen schafft, die den bisherigen
Wünschen ein Ziel setzt; ein Ziel jedoch, dem weitere
Thaten auf dem Fusse folgen.

Wer heut zuerst endlich das thut, der hat die Zu-
kunft in der Hand.

Darmstadt scheint das vorbehalten zu sein.

Hätte die Künstlerkolonie den Beweis dessen, was
ihre Mitglieder arbeiten, in einer Kunstgewerbe-Aus-
stellung abgelegt, dann hätte sie die heut allgemeine
Mode mitgemacht, sie hätte auch unter Umständen viel-
 
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