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Südwestdeutsche Rundschau: Halbmonatsschrift für deutsche Art und Kunst — 1.1901

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Philips, Carlo: Wiedergeburt
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https://doi.org/10.11588/diglit.12765#0210

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die marmornen Tempel, die da brannten in der Eben
und niederstürzten in ihre Herrlichkeit.

Und es ging eine Stimme aus der feurigen Wolke,
die sprach: Was verbrennt ihr meine Tempel und
lästert ihr meine Schöne? Was kommt ihr anzubeten,
was hässlich ist? Seht ihr nicht die Leichen Erschlagener
im Gefilde ? Siehe, ich werde ausrotten die Fratzenanbeter,
ich werde erschlagen, die noch anbeten, auf dass ein
neues Geschlecht heranwachse nach meinem Herzen.

Und ich hörte ein Krachen aus der Wolke, sah den
Strahl des Wetters.

Und es jammerte die Stimme des Propheten: Wehe
der Stunde, weil der Tag noch nicht erfüllet ist!

Da fiel ich nieder mit schwindenden Sinnen. Wer
wollte leben bei den Haufen Erschlagener im Gefilde?

Aber nun ich dalag und dachte zu sterben, rührte
eine Hand an meine Schulter. Und da ich mich um-
wandte zu schauen, stand ein Jüngling zu meinen Häupten
von gewaltigem Wuchs. Mild glänzte sein Antlitz, und
Flügel trug er angeheftet, die waren wie Saphir des Abend-
himmels, mit flammenden Rändern gleich der Glut der
sinkenden Sonne.

„Kleingläubiger", sagte er, „allzu schnell Verzweifeln-
der .... noch kam nicht das Ende."

Und er entfaltete die saphirnen Flammen und trug
mich durch die Lüfte. Und es war mir wie tötliches Weh
und schneidende Wollust, dass ich versank in die Tiefen
meines Geistes und nicht gewahr ward, wohin er mich
trug.

Nun ich aber erwachte, siehe, da lag ich auf den
Stufen einer breiten Treppe.

Und nun ich mich umschaute, siehe, da standen
Wohnungen in der Runde, menschliche Wohnungen, in
Maassen und über die Maassen.

Und ich hörte eine Stimme, die kam aus meinem
Herzen: „Wahrlich", sagte sie, „hier ist kein Marmor,
hier sind keine Götter und Götzen;
 
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